Entblätterung
Je nach Betriebsphilosophie, Standort und Rebsorteneignung kann eine Teilentblätterung der Traubenzone zu einer verbesserten Traubenqualität beitragen.
Inhaltsverzeichnis
Entblätterungszeitpunkte
Abhängig von der Zielsetzung unterscheidet man bei der Anwendung unterschiedliche Entblätterungszeitpunkte:
Entblätterung zu einem frühen Zeitpunkt
Die frühe Entblätterung sollte möglichst genau zum Zeitpunkt der Blüte (ES 61-69) durchgeführt werden und hat zur Folge, dass eine Verrieselung stattfindet. Das bedeutet, dass es zu einer geringeren Durchblührate und einer Auflockerung sehr kompakter Trauben kommen kann. Durch den verminderten Ertrag (siehe Graphik rechts) und die verbesserte Traubenstruktur sinkt das Risiko für Botrytis und Pflanzenschutzmittel kann sich besser anlagern. Ist die Witterung während der Blüte zusätzlich nasskalt, verstärkt sich die Ausdünnung und eine größere Anzahl an Beeren wird nicht befruchtet. Nach Petgen und Götz (2004) wirkt sich der geringere Fruchtansatz gemäß der Menge-Güte-Regel positiv auf die Qualität aus [1]. Außerdem werden nach einer frühen Maßnahme die entfernten Blätter durch einen Neuzuwachs wieder ausgeglichen.
Entblätterung zu einem späten Zeitpunkt
Eine späte Entblätterungsmaßnahme kurz vor dem Weichwerden der Beeren hingegen bewirkt, dass wenig Einfluss auf den Ertrag genommen wird. Das Risiko für Sonnenbrand steigt, denn zu diesem Zeitpunkt kann eine starke, plötzliche Sonneneinstrahlung die Beeren besonders schädigen. Erfolgt die Entblätterung erst spät nach dem Weichwerden der Beeren, ist die Anfälligkeit für Sonnenbrand am Höchsten. Daher sollte zu diesem Zeitpunkt die wetterabgewandte Seite lediglich moderat entblättert werden. Eine händische Teilentblätterung ab September erleichtert eine spätere Handlese. Um eine starke Schädigung durch Sonnenbrand zu umgehen, sollte in mehreren Durchgängen mit entsprechend geringer Intensität entblättert werden.
Sorteneignung
Weiterhin spielt der Umfang einer Entblätterung eine tragende Rolle: während rote Sorten eine bessere Farbausprägung und positive Phenolstruktur erreichen, sollte bei weißen Sorten aufgrund des Risikos für Sonnenbrand weniger stark entlaubt werden. In solchen Fällen ist eine schonendere Entblätterung der wetterabgewandten Nord- oder Ostseite sinnvoll. Im Fall von Sauvignon Blanc ist die Intensität einer Maßnahme stark von Bedeutung, weil die Beerentemperatur die Phenolsynthese beeinflusst. Auf diese Weise entstehen je nach Entblätterungsintensität die unterschiedlichsten Weinstile und prägen die Aromatik maßgeblich (von den typischen grünen, vegetativen Noten bei unterlassener/wenig Entblätterung hin zu gelbfruchtigen Aromen bei stärkerem Eingriff). Besonders anfällig für Sonnenbrand sind beispielsweise die Rebsorten Riesling und Bacchus. Außerdem kann ein übermäßiger Eingriff in das Blatt-Frucht-Verhältnis beim Riesling dazu führen, dass sich im Wein schon früher Altersnoten (TDN) bilden. Aufgrund ihrer dickeren Wachsschicht sind die Rebsorten Silvaner und Müller-Thurgau meist weniger betroffen und können tendenziell stärker entblättert werden. Bei der Herstellung von Eiswein ist es grundlegend, die Blätter der Traubenzone zu entfernen, bevor das Einnetzen erfolgt. Andernfalls würden bei einsetzendem Blattfall die Blätter im Netz verbleiben und eine Abtrocknung in diesem Bereich verhindern. In Anlagen mit Minimalschnitt konnte festgestellt werden, dass durch dickere Beerenhäute und Lockerbeerigkeit die Gefahr von Sonnenbrand verringert ist.
Auswirkungen auf Blatt-Frucht-Verhältnis und Physiologie
Ein ausreichendes Blatt-Frucht-Verhältnis von 7-10 Blättern pro Traube sollte dabei immer eingehalten werden. Zu starke Eingriffe in das Blatt-Frucht-Verhältnis haben zur Folge, dass die Rebe mit Stresssymptomen wie verminderter Traubenqualität und erhöhtem Potenzial für UTA reagiert. Für das Folgejahr steigt die Neigung zu Chlorose und Kümmerwuchs. In schwachwüchsigen Anlagen und Weinbergen auf typischen Chlorosestandorten wie kalkhaltigen und verdichteten Böden sollte von einer Entlaubung abgesehen werden. Denn die Wuchskraft nimmt durch den Eingriff in das Blatt-Frucht-Verhältnis ab. Gleiches gilt für Anlagen mit mehrjähriger Entblätterung: ein Hang zu einer verminderten Wüchsigkeit konnte bereits festgestellt werden [2]. Hinsichtlich der Wuchssteuerung junger, vitaler Anlagen kann eine entsprechende Maßnahme ein übermäßiges Wachstum ausgleichen und ist daher positiv zu bewerten.
Maschinelle Anwendung
Eine gezielte Ertragsreduzierung ist schwer durchführbar, weil oftmals ganze Gescheine mit entfernt werden (siehe Graphik). Hinsichtlich der Traubengesundheit ist eine frühere Durchführung am sinnvollsten, weil abgezupfte Gescheine und Beeren noch keinen Saft enthalten und eine Verletzung abtrocknen kann, ohne dass Fäulnis entsteht. Die von den verschiedensten Herstellern (z.B. Binger, Ero, Freilauber, Provitis, Siegwald u.a.) angebotenen Entlauber unterscheiden sich in Ihrer Technik und dem Arbeitsergebnis. Welches Gerät zum Einsatz kommt und ob die Anschaffung eines Gerätes für den eigenen Betrieb von Nutzen ist, ist eine Frage der Fläche und der Häufigkeit einer Nutzung. Oftmals stellt sich die Frage, ob während Arbeitsspitzen genug Personal verfügbar ist, eine Entlaubung selbst durchzuführen oder ob es sinnvoller ist, einen Lohnunternehmer zu beauftragen.
Aufwand und Kosten
Für eine praxisübliche Entblätterung von Hand, ist je nach Intensität mit 40-60 Akh/ha zu rechnen. Daraus folgt bei einem Lohnansatz für Aushilfskräfte von 8,50€/Std. ein Aufwand von 340-510€ pro Hektar. Für Betriebsleiter und Fachkräfte ist mit 15€/Std. und 600-900€/ha zu kalkulieren. Der Zeitbedarf für eine maschinelle Entlaubung liegt je nach Anlage und einseitiger Durchführung (wenn nur die wetterabgewandte Seite bearbeitet wird) bei 3-4Akh/ha, während bei doppelseitiger Anwendung mit doppeltem Zeitbedarf zu rechnen ist. Für größere Betriebe/ Lohnunternehmen kann sich die Anschaffung eines doppelseitigen Gerätes (ganze Reihen oder beidseitig in 3-4Akh/ha) lohnen. Im Lohn kostet eine Entlaubung etwa 180-240€ pro Hektar, während die Kosten für ein eigenes Gerät je nach Einsatzfläche ähnlich einzustufen sind.
Vorteile
- Verbesserte Traubengesundheit durch bessere Abtrocknung der Traubenzone und somit weniger Botrytis-Gefahr
- Bessere Trauben- und Weinqualität durch höheres Mostgewicht
- Mehr Farbintensität, höhere Phenolgehalte und breiteres Aromenspektrum (besonders bei Rotweinsorten von Bedeutung)
- Verbesserte Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln
- Zeitaufwand wird durch Zeitersparnis bei eventueller Ausdünnung bzw. Handlese ausgeglichen
- Abbau von Äpfelsäure durch höhere Beerentemperatur bewirkt harmonischere Säurewerte
- Vorbeugende Wirkung gegen den Schädling Kirschessigfliege, die eher ein schattiges Umfeld bevorzugt
Nachteile
- Erhöhtes Risiko für Sonnenbrand (abhängig vom Zeitpunkt der Entblätterungsmaßnahme)
- Höhere Anfälligkeit der Trauben gegenüber Hagel und Starkregen
- Zeit- und Kostenaufwand
- Ertragsminderung 10-30% (je nach Zeitpunkt und Intensität), bei maschineller Durchführung tendenziell mehr
- Erhöhtes Risiko für UTA und TDA, geringere Einlagerung von Zucker und Aminosäuren wenn zu stark entblättert wird
- Neigung zu Chlorose und Kümmerwuchs im Folgejahr bei zu starker Entlaubung
- Verringerte Werte an hefeverfügbarem Stickstoff (kann zu Gärstörungen führen)
Einzelnachweise
- ↑ Immer wieder aktuell – Entblätterungsmaßnahmen im Weinberg Dr. Matthias Petgen und Gerd Götz, DLR Rheinpfalz, Abteilung Weinbau und Oenologie http://www.dlr-mosel.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/59cc5a1fc9c7e89ec1256fa50045969a/bb9860b855842c99c1257020002773f9?OpenDocument Zugriff am 12.12.2016
- ↑ Dr. Matthias Petgen, Franz Rebholz, Gerd Götz (2004) Entblätterung Richtig und rechtzeitig entblättern Meininger Verlag https://www.meininger-shop.de/en/books/Entblaetterung.html
Literaturverzeichnis
- Schumann, F. (1998): Weinbaulexikon. Meininger Verlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 294 Seiten, ISBN 3-87524-131-2.
- Petgen, M. (2012): Traubendesign unter dem Aspekt des Klimawandels. Das Deutsche Weinmagazin (Nr. 5/10. März 2012): 9-13.
- Walg, O., DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Tagungsband zur 59. Wintertagung (2015), Zugriff am 13.12.2016