Untersuchung und Beurteilung der Bodenstruktur
Eine standort- und situationsgerechte Bodenpflege erfordert eine regelmäßige Kontrolle. Vieles kann der Winzer schon aus der Vorgeschichte des Weinbergs ableiten. So signalisieren größere Bodenbewegungen (z. B. Auffüllmaßnahmen, Planierungen) vor der Weinbergsbepflanzung, wie sie zum Beispiel bei Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, für viele Jahre ein hohes Problempotenzial. Aber auch tiefe Fahrspuren durch das Befahren feuchter Böden mit schweren Maschinen (z. B. Traubenvollernter, Pflanzenschutzmaßnahmen nach Gewitterregen) sollte sich der Winzer gut merken, möglichst notieren, da die angerichteten Schäden nur über Jahre hinaus "repariert" werden können.
Bei Übernahme von neuen Parzellen (Zukauf, Pachtung) ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die Bodensituation zu verschaffen. Besonders vor der Durchführung von aufwändigeren Bodenverbesserungsmaßnahmen (z. B. Tiefenlockerung, Rigolen, Dränung) sollte eine genauere Betrachtung von Bodenaufbau und -struktur erfolgen. Auf alle Fälle ist eine visuelle Beurteilung der Bodenstruktur erforderlich, wenn die Rebstöcke Wuchsprobleme und Störungen zeigen.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Beurteilung mit Hilfe von Zeigerpflanzen
Bereits die Beobachtung des natürlichen Pflanzenbewuchses kann einen ersten Aufschluss zu den Bodenverhältnissen bringen. So weisen das verstärkte Auftreten von Schachtelhalm-Arten (Equisetum spec.), Pfeilkresse (Lepidium draba), Huflattich (Tussilago farfara), Ampferarten (Rumex spec.), Flecht-Straußgras (Agrostis stolonifera), Gewöhnlicher Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Einjähriges Rispengras (Poa annua) auf Verdichtungen beziehungsweise Staunässe hin (TABELLE 4).
Das häufigere Auftreten bestimmter Pflanzenarten / Pflanzengesellschaften gibt zudem auch Hinweise auf den Stickstoff- und Kalkgehalt im Boden (TABELLE 1 und 3) sowie auf die Bodenfeuchtigkeit (TABELLE 2).
TABELLE 1: Zeigenpflanzen zur Beurteilung des Stickstoffgehalts (N-Gehalt) im Boden [1].
- Die wissenschaftlichen Namen sowie die jeweiligen Pflanzenfamilien können in der TABELLE 5 eingesehen werden.
Hoher N-Gehalt des Bodens | Niederer N-Gehalt des Bodens |
AMPFER, STUMPFBLÄTTRIGER | AMPFER, KLEINER |
BEIFUß, GEMEINER | ESPARSETTE, SAAT- |
BEINWELL, GEMEINER | FINGERKRAUT, FRÜHLINGS- |
BINGELKRAUT, EINJÄHRIGES | KLEE, BOKHARA- (WEIßER STEINKLEE) |
BRENNESSEL, GROßE | KLEE, HORNSCHOTEN- |
BRENNESSEL, KLEINE | KLEE, WUND- |
FRANZOSENKRAUT, ZOTTIGES | LEINKRAUT, GEMEINES |
GÄNSEDISTEL, KOHL- | LUZERNE, BASTARD- |
GÄNSEFUß, DORF- (GUTER HEINRICH) | RISPE, PLATTHALM- |
KAMILLE, STAHLENLOSE | ROT-SCHWINGEL, HORST- |
KNÖTERICH, AMPFER- | SCHACHTELHALM, ACKER- |
KREUZKRAUT, GEMEINES | STRAUßGRAS, ROTES |
LABKRAUT, KLETTEN- | TRAUBENHYAZINTHE, WEINBERGS- |
MALVE, WEG- | TRESPE, AUFRECHTE |
NACHTSCHATTEN, BITTERSÜßER | WIESENKNOPF, GROßER |
NACHTSCHATTEN, SCHWARZER | WIESENKNOPF, KLEINER (BIBERNELLE) |
OSTERLUZEI, GEWÖHNLICHE | WOLFSMILCH, ZYPRESSEN- |
QUECKE, GEMEINE | |
SCHÖLLKRAUT | |
TAUBNESSEL, WEIßE | |
VOGELMIERE, GEWÖHNLICHE | |
WEIDENRÖSCHEN, RAUHHAARIGES | |
WOLFSMILCH, GARTEN- |
TABELLE 2: Zeigenpflanzen zur Beurteilung der Bodenfeuchtigkeit [1].
- Die wissenschaftlichen Namen sowie die jeweiligen Pflanzenfamilien können in der TABELLE 5 eingesehen werden.
Trockene Böden | Feuchte Böden |
ESPARSETTE, SAAT- | BEINWELL, GEMEINER |
FINGERKRAUT, FRÜHLINGS- | FUCHSSCHWANZ, WIESEN- |
HIRSE, BLUT- | HAHNENFUß, KRIECHENDER |
KLEE, BOKHARA- (GELBER STEINKLEE) | KNÖTERICH, AMPFER- |
KLEE, BOKHARA- (WEIßER STEINKLEE) | MINZE, ACKER- |
KLEE, WUND- | NACHTSCHATTEN, BITTERSÜßER |
LEINKRAUT, GEMEINES | RISPENGRAS, GEWÖHNLICHES |
LUZERNE, BASTARD- | SCHARBOCKSKRAUT |
PFEILKRESSE | WEGERICH, BREIT- |
RISPE, PLATTHALM- | WEIDENRÖSCHEN, RAUHHAARIGES |
SCHAF-SCHWINGEL, ECHTER | WIESENKNOPF, GROßER |
TRAUBENHYAZINTHE, SCHOPFIGE- | |
TRAUBENHYAZINTHE, WEINBERGS- | |
TRESPE, AUFRECHTE | |
WIESENKNOPF, KLEINER (BIBERNELLE) | |
WOLFSMILCH, ZYPRESSEN- |
TABELLE 3: Zeigenpflanzen zur Beurteilung der Bodenreaktion (Kalkgehalt) [1].
- Die wissenschaftlichen Namen sowie die jeweiligen Pflanzenfamilien können in der TABELLE 5 eingesehen werden.
Hoher Kalkgehalt des Bodens | Geringer Kalkgehalt des Bodens |
ESPARSETTE, SAAT- | AMPFER, KLEINER |
FINGERKRAUT, FRÜHLINGS- | HUNDSKAMILLE, ACKER- |
GÄNSEDISTEL, KOHL- | KLEE, FADEN- (ZWERG-KLEE) |
HUFLATTICH | ROT-SCHWINGEL, HORST- |
KLEE, BOKHARA- (GELBER STEINKLEE) | SCHAF-SCHWINGEL, ECHTER |
KLEE, GELB- (HOPFEN-KLEE) | STRAUßGRAS, ROTES |
KLEE, WUND- | WICKE, WINTER- |
LUZERNE, BASTARD- | |
OSTERLUZEI, GEWÖHNLICHE | |
PFEILKRESSE | |
RISPE, PLATTHALM- | |
TRAUBENHYAZINTHE, WEINBERGS- | |
TRESPE, AUFRECHTE | |
TRESPE, WEHRLOSE | |
WEGWARTE, GEMEINE | |
WEIDENRÖSCHEN, RAUHHAARIGES | |
WIESENKNOPF, KLEINER (BIBERNELLE) |
TABELLE 4: Zeigenpflanzen, die Bodenverdichtungen und Staunässe anzeigen. [1].
- Die wissenschaftlichen Namen sowie die jeweiligen Pflanzenfamilien können in der TABELLE 5 eingesehen werden.
Verdichtungen und Staunässe |
FINGERKRAUT, GÄNSE- |
HAHNENFUß, KRIECHENDER |
HUFLATTICH |
KAMILLE, STAHLENLOSE |
LÖWENZAHN, GEWÖHNLICHER |
MÄDESÜß, KLEINES |
MINZE, ACKER- |
QUECKE, GEMEINE |
RISPENGRAS, EINJÄHRIGES |
RISPENGRAS, GEMEINES |
SAUERAMPFER, WIESEN |
SCHACHTELHALM, ACKER- |
STRAUßGRAS, FLECHT- |
WEGERICH, BREIT- |
verschiedene Binsen-Arten |
verschiedene Distel-Arten |
TABELLE 5: Überblick zu allen im Vorfeld aufgeführten Zeigenpflanzen mit deutschen Namen (Trivialnamen), wissenschaftlichen Namen und Pflanzenfamilie.
Spatenprobe/Spatendiagnose
Ein Handspaten ist in jedem Betrieb vorhanden. Mit ihm können interessante Informationen über den Boden erhalten werden. Allerdings erfordert sein Einsatz einen gewissen Zeit- und Kraftaufwand. Das Aufgraben eines kleinen Bodenprofils gewährt gute Einblicke in die Bodenstruktur. Bereits eine Sondierungsgrabung in 20 bis 40 cm Tiefe lässt die meisten Bodenverdichtungen offenkundig werden. Bei solchen Aufgrabungen sind Farbe, Aggregate und Körnung, aber auch Geruch des Bodens zu untersuchen. Hierbei kann durch eine einfache Ausrollprobe die Feuchtigkeit des Bodens und somit seine Bearbeitbarkeit geprüft werden. Lässt sich der Boden durch einfaches Rollen zwischen den Handflächen formen, dann ist er meist zu feucht für eine Bodenbearbeitung. Die Abwurfprobe eines möglichst ungequetschten Spatenstiches gibt noch zusätzliche Hinweise auf den Garezustand des Bodens.
Für Spezialisten ist die Spatendiagnose mit dem Görbing-Flachspaten [2] anzuraten. Durch vorsichtiges Freigraben und Ausheben eines Bodenblockes kann Bodenstruktur und Bodenleben der Krume (25 bis 35 cm) beurteilt und möglichst auch dokumentiert werden.
Als Ausrüstung werden benötigt:
- Görbing-Flachspaten,
- Schonhammer zum Eindrücken des Görbingspatens,
- Handspaten zum Freigraben des Bodenblockes,
- 2 Ständer zum Auflegen und Betrachten des Bodenblockes,
- Brett in Spatengröße zum Herausheben der Bodenprobe,
- Handharke zum Freikratzen der Oberfläche des Bodenblockes
Schematischer Ablauf der Spatenprobe nach GÖRBING (1930)[2]
TABELLE 6: Kriterien für die Beurteilung des Bodens bei Spatenproben.
Kriterien | Beobachtungen und Bewertungen |
Bodenoberfläche: |
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Bodengeruch: |
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Bodenfarbe: |
|
Bodenfeuchte: | Finger- oder Ausrollprobe:
|
Bodenteilchen: |
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Bodengefüge: |
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Durchwurzelung: |
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Wurzelknöllchen an Leguminosen: |
|
Organische Masse: |
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Bodensonde
Bodensonden für den Handbetrieb sind Stahlstäbe (meist aus spezialgehärtetem Edelstahl) von ca. 1 m Länge, 8 mm Durchmesser und oben einem Handknauf. Zur besseren Orientierung haben die Stäbe Markierungen im Abstand von 10 cm. Mit diesem einfachen technischen Hilfsmittel können Bodenschichten unterschiedlicher Dichte erkannt werden, ohne den Boden aufgraben zu müssen. So kann in verhältnismäßig kurzer Zeit die Position einer Sohlen- oder auch Spurverdichtung ausgelotet werden.
Bodensonde zum Aufspüren von Verdichtungen
Abscherwiderstandsmessung
Die Messung von Abscherwiderständen im Boden ist ein praxistaugliches Verfahren, um Verdichtungen im Boden aufzuspüren. Diese Messung ist zwar etwas aufwändiger, dafür liefert sie aber nachvollziehbare Ergebnisse. Hierfür sind Flügelsonde, Drehmomentschlüssel und Schonhammer die Mindestausstattung. Wenn größere Messserien beabsichtigt sind, empfiehlt sich zusätzlich eine Aushebevorrichtung, um die Flügelsonde wieder aus dem Boden zu ziehen.
Die von SCHAFFER (1960) [3] beschriebene Flügelsonde besteht aus einem 10 bis 12 mm Stahlstab mit 10 cm Markierungen. Am unteren Teil befinden sich 4 kreuzweise angeordnete Stahlbleche (Flügel) von 25 mm Breite und 100 mm Höhe. Am oberen Ende des Stabes befindet sich eine „Nuss“ zum Aufstecken eines Drehmomentschlüssels mit Zeiger und Skala. Die Flügelsonde wird in Stufen von 10 cm in den Boden eingedrückt und in jeder Tiefe mittels Drehmomentschlüssel gedreht. Der Kraftbedarf für das Umdrehen der Sonde kann an der Skala des Drehmomentschlüssels (Abscherwiderstand in Nm) abgelesen werden.
Einzelnachweise
- ↑ Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 1,3 Ellenberg, H. (1974): Zeigerwerte der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. 2. Auflage, Verlag Erich Glotze, Göttingen: 258 Seiten.
- ↑ Hochspringen nach: 2,0 2,1 Hampl, U. (1995): Beratung zur Umstellung auf ökologische Bodenbewirtschaftung. Dissertation, Universität Hohenheim. Verlag Dr. Kovac. Hamburg.
- Hochspringen ↑ Schaffer, G. (1960): Eine Methode zur Abscherwiderstandsmessung bei Ackerböden zur Beurteilung der Strukturfestigkeit im Felde. Landwirtschaftliche Forschung 13: 24-32.
Literaturverzeichnis
- Ziegler, B. (2012): Bodenpflege im Weinbau. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Weinbau), Broschürenreihe des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz, WEINBAU-INFORMATIONEN / Ausgewählte Themen für die Praxis, Neustadt an der Weinstraße: 72 Seiten.
- Schumann, F. (1998): Weinbaulexikon. Meininger Verlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße: 294 Seiten, ISBN 3-87524-131-2.
- Rothmaler, W. (1999): Exkursionsflora von Deutschland, Band 2, Gefäßpflanzen: Grundband. 17., bearbeitete Auflage, Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg, Berlin: 640 Seiten. ISBN 3-8274-0912-8.
- Rothmaler, W. (2000): Exkursionsflora von Deutschland, Band 3, Gefäßpflanzen: Atlasband. 10., durchgesehene Auflage, Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg, Berlin: 753 Seiten. ISBN 3-8274-0926-8.