Trübungen in Most und Wein

Aus Vitipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche
Verschiedene Ursachen für Trübungen in Most und Wein

Trübungen in verschiedenen Phasen der Weinbereitung und Flaschenlagerung können abhängig vom Zeitpunkt und der Ursache zu einem großen Problem werden. Dabei spielen sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Trübungen zeigen in den meisten Fällen Schwachstellen im Produktionsprozess an und sollten als Möglichkeit gesehen werden, die Abläufe und Behandlungsschritte zu kontrollieren und zu optimieren. Das Wissen um Ursachen von Trübungen, deren Vermeidung und der geeigneten Gegenmaßnahmen ist zur Vorbeugung von Reklamationen unerlässlich. Nur mit dem Wissen, was die Probleme ausgelöst hat, können diese beim nächsten Mal umgangen werden.

Charakterisierung von Trübungen

Man unterscheidet prinzipiell zwischen organischen und anorganischen Trübungsursachen, obwohl diese Einteilung nicht klar differenziert ist. Bei Ausfällungen, die durch Schwermetalle verursacht werden, also zu den anorganischen Trübungen zählen, spielen trotzdem organische Stoffe wie zum Beispiel Polyphenole eine Rolle. Die wesentlich klarere Einteilung findet man anhand der Teilchengröße und des Lösungsverhaltens. In Tabelle 1 ist dieser Zusammenhang dargestellt.

Tab. 1: Einstufung von möglichen Trübungsursachen nach der Partikelgröße
Zustandsform Größenverhältnisse Beispiele in Wein
Echt gelöste Stoffe Kleiner als 10-6 mm Zucker, Aromastoffe
Kolloidal gelöste Stoffe 10-6 bis 10-4 mm Eiweiß, polymere Polyphenole
Unlösliche Stoffe Größer als 10-4 mm Kristalle, Hefen, Bakterien

Im Wein können sowohl die unlöslichen, als auch die kolloidal gelösten Stoffe Probleme bereiten; letztere nur, wenn sich an den Lösungsbedingungen etwas ändert. Hier wäre der pH-Wert als wichtigster Faktor zu nennen. Die meisten Stoffe sind in ihrem Lösungsverhalten sehr stark vom pH-Wert abhängig, da ihre Stabilität von der Ladung abhängt. Im Folgenden werden verschiedene Ursachen einzeln betrachtet, obwohl in der Praxis sicher immer mehr als nur allein eine Substanzgruppe für Probleme sorgt. Aber je besser die jeweiligen Gruppen kontrolliert und behandelt werden, desto sicherer ist das Gesamtprodukt.

Eiweißtrübung

Bei Proteinen hängen die Löslichkeit und letztendlich auch die Schönbarkeit mit Bentonit vom isoelektrischen Punkt des Moleküls ab. Nur wenn das Protein positiv geladen ist, kann es durch das negativ geladene Bentonit gebunden und geschönt werden. Die Ladung des Proteins ist wiederum abhängig vom pH-Wert, weswegen die Eiweißstabilisierung direkt vom pH-Wert beeinflusst wird. Damit stehen die Proteine nicht allein unter diesem starken Einfluss, prinzipiell werden sowohl die chemische, als auch die physikalische und biologische Stabilität direkt vom pH-Wert bestimmt, so dass dieser unbedenklich zum zentralen Parameter der Stabilitätsanalyse erklärt werden kann.

In diesem Zusammenhang liegt auch die größte Herausforderung der Eiweißstabilisierung in Wein. Die Schönung und damit die Stabilisierung des Produktes kann nur bei ausreichend niedrigen pH-Werten erfolgreich sein, da nur bei einem Überschuss von H+-Ionen die Moleküle positiv geladen sind. Problematisch ist dabei, dass auch Proteine zu Trübungen führen können, die negativ oder neutral geladen sind. Da diese zwar trübungsrelevant, aber nicht schönbar sind, ist der Zeitpunkt der Behandlung wichtig.

In der Vergangenheit wurde häufig die Bentonitbehandlung im Most empfohlen, da hier der pH-Wert im gesamten Vinifikationsprozess am niedrigsten ist. In der Tat werden zwar einige organische Säuren während der Gärung gebildet, der Säureverlust durch Kristallausscheidungen und biologischen Säureabbau ist aber deutlich höher. Aus diesem Blickwinkel macht die Behandlung im Moststadium durchaus Sinn. Auf der anderen Seite werden durch Bentonit auch Hefenährstoffe abgereichert, so dass eine übermäßige Schönung zu Gärproblemen führen kann. Außerdem ist die Bestimmung eines genauen Schönungsbedarfs im Most äußerst schwierig. Im Großen und Ganzen bleibt es also eine Philosophie-Frage, zu welchem Zeitpunkt die Stabilisierung durchgeführt wird. Eine allgemeingültige Wahrheit gibt es nicht.

Abb. 2: Proteintrub (mit Hefezellen, rot), gefärbt im Fluoreszenzmikroskop

Eine allgemeine Empfehlung gibt es dennoch, die in jedem Fall helfen kann, Trübung im Vorfeld zu vermeiden: Die Schönung mit Bentonit muss der letzte Behandlungsschritt vor der Weinabfüllung sein. Nur wenn keine Eingriffe mehr vorgenommen werden, wird der pH-Wert nicht mehr verändert. Da dieser, wie bereits erwähnt, für die Stabilität und Schönbarkeit entscheidend ist, darf er sich bis zum abgefüllten Wein nicht mehr verändern. Sollte es trotz aller Vorsicht zu einem Eiweißausfall auf der Flasche kommen, ist die Trübung recht gut identifizierbar. Es gibt sowohl mikroskopische, als auch chemische Tests, um Proteine zweifelsfrei zu erkennen. In Abbildung 2 ist eine Eiweißausfällung mit einem selektiven Fluoreszenzfarbstoff angefärbt. Dadurch ist diese Verbindungsklasse gut von anderen Stoffen zu unterscheiden.

Es existieren auch einige von Würdig und Woller (1989) beschriebene chemische Identifikationsverfahren, diese sind aber sehr aufwendig und aufgrund der eingesetzten Chemikalien nicht unbedenklich. Von Fachlaboratorien werden sie dennoch in manchen Fällen angewandt.

Mikrobiologische Trübungen

Wenn die Bedingungen es zulassen, kann es nach der Füllung in der Flasche zu mikrobiologischer Aktivität kommen. Dabei hängt es von der gebildeten Zellzahl ab, ob die Trübung vom Verbraucher wahrgenommen werden kann. Meist geht die Aktivität mit der Bildung von Kohlendioxid einher, da sowohl Gärungs- als auch Säureabbauaktivität zur Gasbildung führen. In Tabelle 2 sind die Zellzahlen dargestellt, die etwa für das Erreichen eines bestimmten Trübungsgrades erreicht werden müssen. Es handelt sich dabei nur um Richtwerte, da die Wahrnehmung einer Trübung von zahlreichen Umgebungsbedingungen abhängig ist.

Tab. 2: Trübungsgrad abhängig von der Hefezellzahl
Zellkonzentration Optische Beurteilung
103 Zellen/mL glanzklar
104 Zellen/mL Nahezu glanzklar
105 Zellen/mL Gerade feststellbare Trübung
106 Zellen/mL Mittlere Trübung
107 Zellen/mL Starke Trübung
108 Zellen/mL Sehr starke Trübung
Abb. 3: Verschiedene Hefen und Bakterien im Durchlichtmikroskop

Eine durch Mikroorganismen verursachte Trübung lässt sich relativ einfach identifizieren. In den meisten Fällen ist beim Öffnen der Flasche ein deutlicher Überdruck feststellbar. Die Trübung kann durch Zentrifugation oder Filtration abgetrennt werden und sollte unter dem Mikroskop untersucht werden. In Abbildung 3 ist eine solche Probe dargestellt, in der eine große Vielfalt verschiedener Hefearten zu sehen ist.

Da es auch Hefen und Bakterien gibt, die ohne feststellbare CO2-Entwicklung wachsen, kann der mikroskopische Befund auch ohne Gasentwicklung und Überdruck positiv sein. Ein weiterer Indikator ist in diesem Fall ebenfalls ein Verschwinden der freien schwefeligen Säure, die ansonsten das Wachstum der meisten Mikroorganismen hemmen würde.

Mikrobiologisch bedingte Trübungen zählen zu den schwierigsten und schädlichsten, da sie im Gegensatz zu anderen Ursachen fast immer mit sensorischen Veränderungen verbunden sind. Die Lösung ist daher häufig deutlich aufwendiger als bloßes Aufziehen der Flaschen und erneute Filtration und Füllung.

Kristallausscheidungen

Durch die Vielzahl der im Wein vorhandenen organischen Säuren kann es im fertigen Produkt zum Ausfall verschiedener Kristalle kommen. Die Löslichkeit ist meist in starkem Maße von Temperatur, pH-Wert, Alkoholgehalt und den Konzentrationen der Bindungspartner abhängig. Als kationischer Bestandteil kommen nur Kalium und Calcium in Kristalltrub vor, das Spektrum der Säuren reicht von Weinsäure, über Oxalsäure bis zu Schleimsäure. Der häufigste Fall ist sicher der Weinstein, der mit systematischem Namen Kaliumhydrogentartrat heißt.

Außer den beiden schon im Most natürlich vorkommenden Kristallen Kaliumhydrogentartrat (Weinstein) und Calciumtartrat entstehen alle Kristalle entweder durch erhöhten Befall von Botrytis oder durch oenologische Behandlungen. Das Doppelsalz Calciummalattartrat entsteht bei der Doppelsalz-Entsäuerung und liegt auch nur in der Teilmenge in dieser Form vor. Bei Wein-pH sind die Kristalle löslich und tauchen daher nur in Ausnahmefällen auf. Calciumuvat ist das Salz der D,L-Weinsäure, die ebenfalls nicht natürlich vorkommt.

Botrytis cinerea kann in den Beeren deutliche Mengen Oxalsäure und Schleimsäure bilden, aus denen dann Calciumoxalat bzw. Calciummucat entstehen. Die Bildung dieser Kristalle kann also von vornherein durch Selektion des Lesegutes gezielt verhindert werden.

Gut zu erkennen und von anderen Formen leicht zu unterscheiden sind die Kristalle des Calciummalattartrats („Seeigel“), Calciumoxalats („Briefumschlag“) und Calciumuvats („Stäbchen“). Calciummucat kann sich von der dargestellten typischen „Schneeflocken“-Form teilweise deutlich unterscheiden. Auch das Calciumoxalat zeigt häufig eher eine an Eiweißausfall erinnernde Form und nur selten und mit der richtigen mikroskopischen Vergrößerung den „Briefumschlag“. Leider sind die am häufigsten vorkommenden Salze der Weinsäure, das Kaliumhydrogentartrat und das Calciumtartrat, nur sehr selten oder gar nicht unter dem Mikroskop zu unterscheiden. Für ihre Differenzierung benötigt man andere Verfahren. In Abbildung 4 sind mikroskopische Bilder der häufigsten Kristallformen dargestellt, wobei zu beachten ist, dass die Photos 1 und 5 mit einer 20 fachen Vergrößerung erstellt wurden und alle anderen mit einem 400-fachen Zoom.

Ein weiteres, sehr einfaches und schnelles Verfahren zur Differenzierung von Metallkationen bietet die Flammenfärbung. Sie wird üblicherweise eingesetzt, um bei unbekannten Salzen den kationischen Bestandteil qualitativ zu bestimmen. Dabei leuchtet Kupfer beispielsweise grün, Eisen braun und Natrium hellgelb. Da im Wein aber nur Kalium und Calcium als Kristallbestandteil in Frage kommen, müssen nur diese zwei unterschieden werden. Calcium leuchtet in der Flamme ziegelrot und ist sehr gut zu erkennen. Bei Kalium benötigt man ein Stück Cobaltglas, um die Farbe richtig zu sehen.
Die Durchführung ist in der Praxis sehr einfach. Man gibt zur trockenen Substanz einen Tropfen Salzsäure und vermischt beides zu einem Brei. Diesen gibt man auf einen Spatel und hält ihn in die Flamme eines Gasbrenners. Nun schaut man die Farbe der Flamme abwechselnd durch das Cobaltglas und ohne Glas an. Sieht man eine Rotfärbung ohne Glas, die hinter dem Glas nicht zu sehen ist, handelt es sich um Calcium. Sieht man hingegen die Farbe hinter blauem Glas immer noch, so handelt es sich um Kalium. Mit dieser Methode ist es möglich, einfach und schnell heraus zu finden, ob es sich um Kaliumhydrogentartrat oder Calciumtartrat handelt, nachdem man die Auswahl durch Mikroskopieren auf diese zwei eingeschränkt hat.

Es sind natürlich auch exakte chemische Methoden beschrieben, um Kristalle zu differenzieren. Diese können aber nur von spezialisierten Laboratorien durchgeführt werden, da sie meist mit erhöhtem Aufwand verbunden sind. Für die meisten Fälle reichen die hier dargestellten Maßnahmen in der Praxis aus, um die Ausfallursache zu ermitteln. Da eine verlässliche Stabilisierung mit Metaweinsäure oder Kälte-Kontakt-Verfahren aber nur bei Kaliumhydrogentartrat und in einem gewissen Rahmen für Calciumtartrat funktionieren, kann der Ausfall der Botrytis-induzierten Kristalle nur durch Selektion des Lesegutes oder lange Lagerung vor der Abfüllung erreicht werden.

Gerbstofftrübungen

Wenn das Lösungsgleichgewicht durch verschiedene Einflüsse verschoben wird, kann es zur Ausscheidung von Gerbstoffen kommen. Meist sind daran noch Schwermetalle oder Einweiße beteiligt. Die Bindung an Eiweiße verläuft relativ einfach, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Beim Einfluss der Schwermetalle ist der Zusammenhang deutlich komplexer.

Trübungen durch Gerbstoffe sind eher selten und meist mit langen Lagerzeiten oder anderen Faktoren wie erhöhtem Schwermetallgehalt korreliert (schwarzer oder grauer Bruch). Die Vermeidung der Gerbstoff-Metall-Komplexe ist am einfachsten durch eine Entfernung der Schwermetalle zu erreichen. Gerbstoffe lassen sich durch Proteine wie zum Beispiel Gelatine oder durch synthetische Polymere wie Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) harmonisieren. Der Ausfall von phenolischen Substanzen ohne die Beteiligung anderer Stoffe ist in deren Neigung zur Polymerisation begründet. Unter dem Einfluss von Sauerstoff, katalytischen Metallen und Zeit bilden sich aus den einfachen Polyphenolen erst Polymere und später Pigmente, die aufgrund ihrer Molekülgröße nicht mehr löslich sind und ausfallen. Die Trübungen sind meist mit einem Farbverlust verbunden. Da sie aber meist erst nach einigen Jahren der Lagerung auftreten, spielen sie für die Mehrzahl der Problemfälle eine untergeordnete Rolle.

Abb. 5: Mikroskopisches Bild einer Protein-Gerbstoff-Trübung

In Abbildung 5 ist das mikroskopische Bild einer Eiweiß-Gerbstoff-Fällung zu sehen. Da es sich um einen Rotwein handelt, ist der Trub leicht gefärbt. Die Identifikation erfolgt am einfachsten über den Nachweis des Eiweißanteils und den Vergleich des Fluoreszenzbildes mit der normalen Durchlichtmikroskopie.

Zusammenfassung

In den meisten Fällen ist es recht einfach, die Trübungsursache zu ermitteln. Ein überwiegender Teil der Weine hat, wie bereits angedeutet, allerdings nicht nur eine Trübungsursache. Meist kommt es zu einer Art Kettenreaktion, bei der ein Ausfall den nächsten bedingt. Beispielsweise kann ein Kristallausfall die Säurestruktur und damit den pH-Wert verändern. Durch die pH-Wert Änderung verschieben sich die Ladungsverhältnisse in den kolloidal gelösten Eiweißen. Der daraus resultierende Eiweißausfall sorgt für eine Veränderung im sehr labilen Gleichgewicht anderer Kolloide und provoziert wiederum deren Ausfall. Somit kann eine einfache Weinsteininstabilität eine ganze Reihe von Folgeproblemen verursachen. In den betroffenen Weinen ist entsprechend auch eine Mischung verschiedener Stoffe im Trub anzutreffen. Hier kann mit einem Mikroskop schon sehr viel erreicht werden. Der genaue Startpunkt und der Ablauf des geschehenen Ausfalls kann aber in den seltensten Fällen rekonstruiert werden. Eine generelle Stabilisierung aller beteiligten Faktoren ist in jedem Fall der sicherste Weg, um Probleme und wirtschaftlichen Schaden in dieser Hinsicht zu vermeiden.

Weblinks

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Sommer, S. (2014): Trübungen in Most und Wein. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.
  • Würdig, G. und Woller, R. (Hrsg.) (1989): Chemie des Weines - Handbuch der Lebensmitteltechnologie. Ulmer. Stuttgart. 926 Seiten. ISBN 3-8001-5815-9
  • Zoecklein, B. W., K. C. Fugelsang, B. H. Gump und F. S. Nury (Hrsg.) (1999): Wine Analysis And Production. Springer. New York. 621 Seiten. ISBN 978-1-4757-6969-2