Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK)
Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (= RTK) ist ein durch Wasserentzug hoch konzentrierter Zuckersirup aus Traubenmost, dem alle Nichtzuckerstoffe entzogen wurden.
Inhaltsverzeichnis
Stoffliche Zusammensetzung
RTK muss mindestens eine Zuckerkonzentration von 61,7 °Brix aufweisen. RTK enthält bei 65 °Brix 650g/kg Invertzucker. Ein Liter RTK hat eine Dichte von 1,3248 und enthält 879,7 g/l Invertzucker, was einem Volumen von 530 ml entspricht, das heißt, dass 47 % des RTK aus Wasser (H2O) besteht.
Typischerweise wird RTK aus stummgeschwefelten Mosten in den Anbauländern Frankreich, Spanien und Italien in der Zeit von August bis Dezember hergestellt. Der Most wird glanzhell filtriert und danach werden in Ionentauschern alle Inhaltsstoffe außer Zucker und Wasser entfernt. Anschließend wird aus diesem rektifiziertem Most mittels Vakuumdestillation Wasser entzogen und auf meist 65 °Brix aufkonzentriert. RTK ist zwischen 61,7 bis 66 °Brix noch gut pumpfähig und durch den hohen Zuckergehalt ähnlich wie Marmelade mikrobiologisch stabil.
RTK wird nicht nur für die Anreicherung von Wein verwendet, sondern auch zur Süßung vieler Nahrungsmittel, bei denen in der Zutatenliste das Wort "Zucker" nicht erscheinen soll.
1986 musste, nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, neben Saccharose (Rohr- bzw. Rübenzucker) auch in Deutschland RTK zur Anreicherung von Land- und Qualitätsweinen zugelassen werden. Die Verwendung von RTK sollte die zu vermarktende Weinmenge in der Europäischen Gemeinschaft reduzieren. Während anfangs der 80er Jahre der Einsatz von RTK in der Weinwirtschaft noch weitgehend abgelehnt wurde, hatte sich das Verfahren, seit den 90er Jahren, bei einer Vielzahl von Großbetrieben bis zur Streichung der Beihilfe zur Verwendung von RTK im Jahr 2008 verbreitet.
Verwendung im ökologischen Weinbau
Grundlage des Handelns beim Öko-Landbau sind transparente und nachvollziehbare Betriebsabläufe. Besondere Beachtung wird in diesem Zusammenhang der sogenannten “Umstellungsphase“ gewidmet. Damit gemeint ist die Zeitspanne - meist zwei bis drei Jahre – von der an die Anforderungen der EG-Öko-Verordnung eingehalten werden bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die Waren als "Erzeugnis aus ökologischem Landbau" vermarktet werden dürfen.
Für alle Produkte aus der Umstellungsphase gilt, dass sie nur aus einer einzigen Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs stammen dürfen. Dies hört sich zunächst logisch und harmlos an, und resultiert sicher aus dem Gedanken der Transparenz während der als besonders sensibel angesehenen Umstellungsphase. Bedeutet jedoch ganz konkret, dass eine Anreicherung mit Saccharose während der Umstellungszeit nicht in Frage kommen kann. Saccharose – selbst wenn gemäß den Anforderungen des ökologischen Landbaus produziert - wird aus Zuckerrüben gewonnen und wäre insofern eine „Zweit-Zutat“ im Wein. Setzt man hingegen aus Trauben gewonnenes rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK) zu, dann verdankt der Alkohol eines derart angereicherten Weines seine Anreicherung ebenso den Trauben wie der Wein als solcher, also „einem identischen landwirtschaftlichen Erzeugnis“ („Trauben zu Trauben“).
Seit dem 01.01.2009, mit Inkrafttreten der neuen Öko-Verordnung, ist demgemäß während der Umstellungszeit eine Anreicherung allein mit RTK möglich. Dieses RTK muss den Anforderungen der EG-Öko-Verordnung entsprechen. Nach der Umstellungsphase, kann mit Rübenzucker der den Anforderungen der EG-Öko-Verordnung entspricht, angereichert werden.
Mengenberechnung des notwendigen RTK
Von den Verkäufern von RTK werden – wenn angefordert - Excel-Tabellen per Email zugesandt, welche die notwendigen RTK-Mengen nach Eingabe von Anreicherungsspanne und Mostmenge berechnen und darstellen. Das ist aber auch mittels einfachem Rechnen möglich:
Die notwendige Zuckermenge für eine Anreicherung mit Saccharose wird ermittelt und in einem Dreisatz daraus die RTK-Menge berechnet oder - einfacher noch - aus einer Tabelle abgelesen. In RTK liegt der Zucker als sogenannter Invertzucker vor. Dies ist ein Gemisch aus den Zuckern Glucose (Glukose) und Fructose (Fruktose). Der Zucker aus der Zuckerrübe liegt als Saccharose vor, die sich erst im Most zu Invertzucker löst und dabei Wasser aufnimmt. Das Saccharose-Molekül, ursprünglich aus zwei Zuckermolekülen bestehend, wird dabei in Glucose und Fruktose zerlegt. Bei der Anreicherung mit RTK muss - im Vergleich zur Anreicherung mit Saccharose - eine um 5,1 % höhere Menge an RTK zugesetzt werden, da bei der Invertierung von 342,3 g Saccharose 360,3 g Invertzucker entsteht, es also zu einer Zuckermehrung kommt. Der Zuschlag von 5,1 % gleicht die fehlende Wasseraufnahme des Invertzucker gegenüber Saccharose aus.
ABBILDUNG 1: Aus Saccharose wird Invertzucker, der zu gleichen Teilen aus Glucose und Fructose besteht:
TABELLE 1: Im stöchiometrischen Vergleich lässt sich der Sachverhalt folgendermaßen darstellen:
Name | Saccharose | Wasser | Invertzucker | Kohlensäure* | Alkohol* | |
Rübenzucker als Saccharose | Chemische Formel | C12H22O11 | H2O | 2 C6H12O6 | 4 CO2 | 4 C2H5OH |
molare Masse | 342,30 | 18,02 | 360,30 | 176,04 | 184,28 | |
bezogen auf 1 kg Invertzucker | 0,950 kg | 0,050 kg | 1,000 kg | 0,488 kg | 0,511 kg | |
RTK als Invertzucker | Chemische Formel | 2 C6H12O6 | 4 CO2 | 4 C2H5OH | ||
molare Masse | 360,30 | 176,04 | 184,28 | |||
bezogen auf 1 kg Invertzucker | 1,000 kg | 0,488 kg | 0,511 kg |
ANMERKUNGEN zur Tabelle: * = enstehen durch alkoholische Gärung
RECHENBEISPIEL:
Ziel:
Ein Most soll mit RTK um die äquivalente Menge von 20 kg Saccharose angereichert werden!
gegeben:
- Zuckergehalt von RTK (°Brix) = 65 °Brix
- Volumen des RTK (l) = Es ist einfacher, das Volumen des RTK mit einer Stütze zu messen als abzuwiegen, somit erfolgt die Mengenberechnung in Liter.
- 1 Liter RTK enthält 879,5 g (0,879 kg) Zucker.
Rechenweg:
- Für 20 kg Invertzucker sind 20 kg : 0,879 kg = 22,75 l RTK notwendig.
- Dazu werden 5,1 % addiert 22,75 l + 1,1 l = 23,85 l.
Ergebnis:
Im Ergebnis sind 23,85 l RTK mit einem Zuckergehalt von 65 °Brix notwendig, um 20 kg Saccharose zu ersetzen. Diese Werte lassen sich auch einfach mit der „Anreicherungstabelle für Most mit rektifiziertem Traubenmostkonzentrat berechnet als äquivalente RTK-Menge zu Saccharose“ ermitteln, und zwar als äquivalente RTK-Menge zu Saccharose. Diese Tabelle führt aus, wie viele Liter RTK notwendig sind, um eine bestimmte Menge Saccharose zu ersetzen.
Eine weitere Möglichkeit der Mengenermittlung ist die „Anreicherungstabelle für Most mit rektifiziertem Traubenmostkonzentrat in Liter (l), RTK-Anreicherungsfaktor 2,4 g/l“, wobei allerdings der RTK-Anreicherungsfaktor auf 2,4 g/l festgelegt ist.
Verarbeitung
- RTK lässt sich gut mit einer Stütze oder im Volumenstrom der Pumpe abmessen.
- RTK muss nicht, wie Saccharose, gelöst werden und wird dem Gebinde direkt zugegeben. Auf eine gute Durchmischung im gärfähigen Gebinde ist auf jeden Fall zu achten.
- Die Lagerung ist unproblematisch, ein Auskristallisieren der Lösung wurde bei praxisüblichen Lagertemperaturen nicht beobachtet, tritt allenfalls bei einer Lagerung im Kühlkeller bei 3 °C auf.
Kosten des RTK Einsatzes
Die Volumenmehrung durch RTK schwankt je nach dessen Zuckergehalt. Während es bei einer maximalen Anreicherung um 24 g/l Alkohol mit Saccharose zu einer Mehrung von 3,5 l/hl kommt, werden für die gleiche Anreicherungsspanne ca. 7,0 l RTK mit 65 °Brix benötigt. Die zusätzliche Mehrung gegenüber Zucker beträgt damit 3,5 l/hl und die Mehrung insgesamt 7 l/hl.
Für Öko- wie für konventionelle Betriebe bringt eine Volumenvermehrung mehr Geld in die Kasse, wenn die Hektarhöchsterträge nicht erreicht werden. Bei hohen Weinpreisen kann die Verwendung von RTK wirtschaftlich sein. Die Preise für RTK schwanken je nach den Erntemengen des jeweiligen Jahrgangs in den Anbaugebieten stark. Aber auch der Preis von Rübenzucker unterlag beispielsweise im Jahr 2011 starken Schwankungen.
Grundsätzlich gilt, dass - sofern der angesetzte Fassweinpreis höher ist als der RTK-Preis - sich die Anreicherung mit RTK selbst trägt. Da Bio-RTK 2010 ungefähr 3,46 €/l kostete, musste, um eine Selbstfinanzierung der Anreicherung mit RTK zu erreichen, der Weinpreis mindestens bei 3,46 €/l liegen. Eine Anreicherung mit Bio-Rübenzucker (Preis 1,42 € + 7 % Mehrwertsteuer, Stand Mai 2011) erreicht eine Kostendeckung bereits ab einem Fassweinpreis von ca. 2,66 €.
TABELLE 2: Kostenvergleich für die Anreichung um 24 g/l Alkohol von 100 Liter Most mit Bio-Zucker und Bio-RTK, alle Preise inklusive Mehrwertsteuer (Zucker 7 %, RTK 19 %), Preise Stand Mai 2011.
Mostmenge 100 Liter | Bio-Zucker | Bio-RTK 65 °Brix |
---|---|---|
Menge | 5,9 kg | 9,5 kg = 7,0 Liter |
Preis frei Haus | 1,60 €/kg | 2,60 €/kg = 3,46 €/l |
Preis | 9,44 € | 25,00 € |
Mehrung | 3,54 Liter | 7,0 Liter |
Preis pro Liter Mehrung | 2,66 € | 3,57 € |
Sensorische Veränderung RTK-behandelter Weine
Zulassungsvoraussetzung von RTK war, dass eine negative sensorische Beeinflussung der mit RTK angereicherten Weinen auszuschließen war. Es ist realistischerweise davon auszugehen, dass eine Verdünnung in geringer Größenordnung unterhalb der sensorischen Wahrnehmungsschwelle liegt. Umgekehrt ist aber aus Mostkonzentrierungs-Versuchen bekannt, dass der Entzug von 15 % Wasser aus dem Most eine Verdichtung der Weine mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund kann bei der Verwendung von RTK zur Anreicherung sicher nicht von einer Qualitätsverbesserung gesprochen werden.
Ist ein deutsches RTK möglich?
Die Herstellungskosten von RTK ergeben sich ganz wesentlich aus dem Ausgangsmostgewicht des Mostes. Höhere Ausgangsmostgewichte benötigen pro Liter Konzentrat einen geringen Energieeinsatz bei der Konzentrierung. Parallel sinken auch die Transportkosten zur Konzentrationsanlage, weil weniger Liter Most für einen Liter RTK benötigt werden. Während ca. 7 Liter von einem Most mit 70 °Oe benötigt werden, um ein RTK mit 65 °Brix Zucker herzustellen, sind von einem Most mit 90 °Oe nur 4,4 Liter erforderlich.
Es ist davon auszugehen, dass deutsche Ausgangsmostgewichte im Durchschnitt geringer sind, als die der Weinbauzone C, die im Süden Europas liegt. Ersichtlich wird das auch daran, dass von acht italienischen Herstellungsbetrieben für RTK, allein vier in Sizilien liegen. Konkurrenzfähige Preise für RTK ließen sich also nur durch geringere Preise für den Grundmost, als die in der Weinbauzone C üblichen, erreichen. Denn die hierzulande benötigten Mostmengen, um einen Liter RTK herzustellen, liegen über denen der südlicheren Weinbauzonen.
Bei Abnahme von 25.000 Litern kostete konventionelles RTK mit 65 °Brix in der Vergangenheit 1,50 bis 1,80 €/l. Es gibt in ganz Europa ca. 30 Herstellungsbetriebe für RTK. Zahlen für die Produktionskosten liegen nicht vor, aber grob geschätzt, werden für eine beispielhafte Kostenrechnung Produktionskosten von 0,60 €/l zugrunde gelegt. Somit würde zwischen 12 und 17 Cent/l Ausgangsmost verbleiben. Von diesen Ausgangsbeträgen sind die Transportkosten des Mostes zur Produktionsanlage, des RTK von dort zum Verbraucher sowie die Handelsspanne für den Händler abzuziehen. Insofern ergeben sich keine kostendeckenden Preise. Bio-RTK kostet mit ca. 3,46 €/l fast doppelt so viel. Bei gleichen Kostenstrukturen verbleiben somit zwischen 40 und 65 Cent/l Ausgangsmost. Aber auch hier sind die Transportkosten des Mostes zur Produktionsanlage, des RTK zum Verbraucher sowie die Handelsspanne für den Händler abzurechnen.
Zusammenfassung
- Bei der Herstellung von "Wein, hergestellt aus Trauben, aus der Umstellung auf den ökologischen Landbau“ darf dieser nur aus einer produktidentischen Zutat („Trauben zu Trauben“) landwirtschaftlichen Ursprungs stammen.
- Eine Anreicherung mit Saccharose ist während der Umstellungszeit somit nicht möglich, zulässig ist eine solche nur mit RTK.
- Ein sensorisch erfassbarer Einfluss auf Wein bei Verwendung von RTK wurde bislang nicht nachgewiesen.
- RTK muss eine Zuckerkonzentration von mindesten 61,7 °Brix aufweisen.
- RTK enthält bei 65 °Brix 650 g/kg Invertzucker. Ein Liter RTK hat eine Dichte von 1,3248 und enthält 879,7 g/l Invertzucker, was einem Volumen von 530 ml entspricht, das heißt, dass 47 % des RTK aus Wasser besteht.
- Die Berechnung der RTK-Menge kann Tabellen entnommen werden.
- Die Berechnung der RTK-Menge kann auch über einen einfachen Dreisatz berechnet werden.
- RTK erfordert eine 5,1 % höhere Menge Zuckermenge als Rübenzucker, weil der Zucker im RTK als Invertzucker vorliegt.
- RTK lässt sich gut mit einer Stütze oder im Volumenstrom der Pumpe abmessen.
- RTK muss nicht wie Saccharose gelöst werden und wird dem Gebinde direkt zugegeben. Auf eine gute Durchmischung im gärfähigen Gebinde ist auf jeden Fall zu achten.
Einzelnachweise
Literaturverzeichnis
- Schandelmaier, B. (2013): Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (RTK). Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.