Fungizide im Weinbau
Die Gebrauchsanweisung der Hersteller von Fungiziden enthält neben wichtigen Informationen zur Anwendung häufig Hinweise zur Wirkungsweise der Mittel. Dies bezieht sich vor allem auf die Fähigkeit der Wirkstoffe, in das Pflanzengewebe einzudringen und sich dort gegebenenfalls zu verteilen. Damit verbunden ist oftmals eine Aussage zur Wirkungsweise gegenüber einem Schadpilz im Sinne einer kurativen, d. h. heilenden Wirkung, wobei diese Begriffe manchmal zu Verwirrungen führen können. Daher sollen im Folgenden häufige und wichtige Begriff erläutert und erklärt werden.
Inhaltsverzeichnis
Einteilung der Wirkstoffe / Fungizide basierend auf ihrem Eindringungsvermögen
Kontaktmittel, Kontaktwirkstoffe: Diese Wirkstoffe reagieren mit dem Schaderreger, dringen aber nicht in die Rebe ein. Es erfolgt also keine Aufnahme in die Pflanze. Da diese Wirkstoffe an der Oberfläche verbleiben, können sie bei extremen Witterungsbedingungen wie Starkregen und Hagel teilweise abgewaschen werden.
Tiefenwirksame Mittel: Diese Wirkstoffe können bis zu einem gewissen Grad in die Rebe bzw. das behandelte Gewebe eindringen. Manche werden nur in der Wachsschicht oder der Kutikula verteilt und bilden dort eventuell ein Depot, andere dringen in tiefere Schichten der Blätter oder Beeren ein bzw. können in der Pflanze verteilt werden. Folgende Begriffe werden häufig verwendet:
Lokalsystemisch: Der Wirkstoff wird lokal beschränkt von grünen Reborganen aufgenommen. Es erfolgt kein Weitertransport.
Teilsystemisch: Der Wirkstoff wird von der Pflanze aufgenommen, verteilt sich aber in nur geringem Maße, d.h. es erfolgt keine Verteilung in der gesamten Rebe.
Translaminar: Der Wirkstoff wird auf der behandelten Seite vom Rebblatt aufgenommen und gelangt bis zur unbehandelten gegenüber liegenden Seite. Verschiedene Wirkstoffe bilden in der Wachsschicht ein Depot, aus dem heraus die Wirkstoffe verteilt und in tiefer gelegene Blattbereiche eindringen können.
Systemisch: Der Wirkstoff wird teilweise oder vollständig über das Blatt oder die Wurzel aufgenommen und vom Transportsystem der Pflanze, d.h. im aufsteigenden Saftstrom (akropetal) oder im absteigenden Saftstrom (basipetal) verteilt. Als Synonym wird häufig der Begriff „vollsystemisch“ verwendet.
Einteilung der Wirkstoffe / Fungizide basierend auf ihrer unterschiedlichen Wirkungsweise
Protektiv: Protektiv wirkende Mittel entfalten nur dann eine Wirkung, wenn Reben vor dem Eintreffen von Pilzsporen behandelt wurden. Diese Fungizide verhindern eine Sporenkeimung oder das Eindringen eines Pilzes in das Pflanzengewebe. Hierzu zählen alle Kontaktmittel und alle tiefenwirksamen Mittel. Wirkstoffe, die in das Pflanzengewebe eindringen können, bieten gegenüber reinen Kontaktmitteln den Vorteil, dass ein Erreger an mehreren Stellen bekämpft werden kann (äußerer und innerer Schutz).
Kurativ: Kurative Mittel besitzen eine Wirkung gegenüber Pilzen in bereits befallenen Reben. Diese können durch eine Anwendung möglicherweise „geheilt“ werden. Eine mögliche Kurativleistung beispielsweise gegenüber dem Falschen Mehltau ist nur bei Fungiziden zu erwarten, deren Wirkstoffe in das infizierte Gewebe eindringen können. Dies ist nur möglich, wenn eine Behandlung sehr zeitnah nach einer Infektion (maximal 1 bis 2 Tage nach einer Infektion), auf jeden Fall vor Ablauf der Inkubationszeit, erfolgt. Sowohl der Wirkstoff, der Zeitpunkt der Anwendung und die Erregerart sind entscheidend für eine Kurativleistung der einzelnen Mittel.
Eradikativ: Eradikative Mittel können einen bereits etablierten Befall abstoppen. Die sichtbaren Symptome verschwinden nach einer Behandlung nicht, der Pilz wird aber abgetötet. Eine eradikative Wirkung ist nur bei solchen Fungiziden zu erwarten, deren Wirkstoffe auch in das infizierte Gewebe eindringen können. Im Weinbau war bisher nur eine eradikative Wirkung gegenüber dem Echten Mehltau bekannt.
Weitere Informationen, insbesondere zu einzelnen Pilzkrankheiten im Weinbau und zu Antiresistenz-Management finden Sie unter Pilzkrankheiten.
Einzelnachweise
Literaturverzeichnis
B. Altmayer, J. Eichhorn, B. Fader, A. Kortekamp, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2013): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 8. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße.