Die gläserne Hefe

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Obwohl Mikroorganismen so klein sind, dass sie oft unserer Beachtung entgehen, spielen sie in unserem täglichen Leben eine weitaus wichtigere Rolle als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. In vielen wirtschaftlichen Bereichen werden sie entweder gezielt eingesetzt, so es sich um „nützliche“ Mikroorganismen handelt, oder ebenso intensiv gesucht und abgetötet, wenn sie da wo sie vorkommen nicht erwünscht sind. In dem Bereich der Bereitung und Verarbeitung von Lebensmitteln und Getränken findet sich das größte Anwendungsgebiet von „nützlichen“ Mikroorganismen.

Stoffwechselprozesse in der Hefezelle

So ist es umso erstaunlicher, dass die Getränkeindustrie, die eigentlich von diesen Organismen lebt, so wenig über sie weiß. Im Weinbereich beispielsweise wird die Gäraktivität der Hefe fast ausschließlich indirekt, das heißt, anhand physikalischer und chemischer Parameter wie Temperatur und Zuckergehalt überwacht. Die Beobachtung der ablaufenden Stoffwechselprozesse oder des Hefewohlbefindens findet jedoch keine Beachtung. Gerade was die Wertschätzung der Hefe nicht nur als Lebewesen, sondern vor allem als zentraler Punkt der Weinbereitung angeht, muss das Bewusstsein geschärft werden. Prof. Dr. Charles W. Bamforth von der Universität in Davis, Kalifornien hat diesen Zusammenhang wie folgt formuliert:

They don’t take it for walks or buy it flowers but most brewers would consider yeast their best friend.

Um nun den besten Freund der Winzer besser verstehen zu lernen, gibt es eine noch recht unbekannte Technologie, die die Hefe quasi in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet. Dazu gab es in größeren Brauereien in den letzten Jahren verstärkt Anstrengungen, das Befinden der Hefepopulation anhand von Messungen einiger intrazellulärer Makromoleküle darzustellen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Reservestoffe der Hefe wie Glycogen, Trehalose oder Neutralfette. Sie werden als Notversorgung in der Hefezelle eingelagert und bei Stress- oder Mangelzuständen wieder angegriffen. Diese Vorratshaltung ist für die Hefe überlebenswichtig und liegt daran, dass Saccharomyces cerevisiae ein Einzeller ist, der selten in größeren Sprossverbänden lebt und bis auf die Zeit während der Sprossung auf sich allein gestellt ist. Die Zelle ist dabei mit allem ausgestattet, was ihr das Überleben unter verschiedenen Milieubedingungen erlaubt. Andere Familien aus dem Reich der Pilze leben in Verbänden zusammen und profitieren so von den Stoffwechselprodukten und Enzymaktivitäten des direkten Nachbarn. Die Hefe allerdings kann es sich nicht leisten, ihre Enzyme außerhalb der Zellwand wirken zu lassen, da sie als „Einzelgänger“ in ständiger Konkurrenz mit allen anderen Mikroorganismen im Medium steht.

Als weiterer wichtiger Messwert wurde gerade für die Hefeherführung und –vermehrung ein Augenmerk auf den Zellzyklus gerichtet. Anhand dieses Parameters lassen sich Vermehrungs- und Autolyseverhalten der Hefen beobachten. Durch dieses so genannte Biomonitoring steht Brauern, und auch Winzern, ein Werkzeug zur Verfügung, welches in jeder Phase der Gärung eine Aussage über den physiologischen und zellkinetischen Zustand der Hefepopulation erlaubt. Eine umfangreiche Kontrolle der Fermentation unter biologischen Gesichtspunkten könnte Gärstörungen schnell und zuverlässig anzeigen, so dass der Winzer zu jedem Zeitpunkt eine genaue Aussage treffen könnte, wie es seiner Hefe im Tank momentan geht. Lagert sie zum Beispiel verstärkt Trehalose ein, könnte sie unter Temperaturstress geraten sein, eine Anreicherung von Glycogen deutet dagegen auf ungünstige Nährstoffbedingungen wie niedrige Zuckerkonzentration hin.

Messmethode Durchflusszytometrie

Abb. 1: Durchflusszytometer CyFlow SL von der Firma Partec

Die Messung mit Fluoreszenzfarbstoffen bietet zur Überwachung dieser Reservestoffdynamik ein zuverlässiges und einfaches Mittel. Die große Zahl an Farbstoffen, die momentan auf dem Markt erhältlich sind, erlaubt es, eine Vielzahl von intrazellulären Makromolekülen zum Teil auch simultan nachzuweisen. Mit dem Flusszytometer steht ein Gerät zur Verfügung, das verglichen mit dem Fluoreszenzmikroskop eine sehr hohe Zellzahl erfassen kann und so ein statistisch besseres Ergebnis erzielt. Es handelt sich dabei um eine Art automatisches Fluoreszenzmikroskop, in dem mehrere tausend Zellen pro Sekunde „angeschaut“ werden können.

Somit könnte die fluoreszenzoptische Messung und Bestimmung von hefezellspezifischen Parametern mit dem Flusszytometer die Zukunft der modernen Gärkontrolle in Großbetrieben sein. Für kleine Unternehmen ist diese Technik im Moment wahrscheinlich noch zu kostenintensiv, da sowohl das Zytometer an sich als auch die Fluoreszenzfarbstoffe relativ teuer sind und sich erst ab einer gewissen Produktions- bzw. Probenmenge wirklich rentieren. Die Entwicklung der letzten Jahre hat aber gezeigt, dass sich selbst kleinere Betriebe durch Gemeinschaftsprojekte oder Maschinen–Sharing technische Neuerungen erschließen und bereit sind, neue Wege zu beschreiten.

Anwendungsbeispiele

Was das Gerät und die ganze Technologie leisten können, wird im folgenden dargestellt. Die erste und wohl wichtigste Anwendung der Fluoreszenzfärbung bei Hefe ist die Darstellung des Zellzyklus. Bei dieser Messung kann man zwischen vermehrungsaktiven und ruhenden bzw. gärenden Zellen unterscheiden. Dadurch ist es möglich zu beobachten, wie lange sich eine Kultur im Vermehrungsstadium befindet und wann die Gärung beginnt. Die Abbildung 2 zeigt eine solche Darstellung wie sie bei Flusszytometern der Firma Partec ausgegeben wird.

In der Abbildung kann man zwei Peaks erkennen, die jeweils für einen Teil der Gesamtpopulation stehen, wobei der erste Peak die ruhenden oder gärenden Zellen darstellt (G1-Phase) und der zweite Peak die vermehrungsaktiven (G2-Phase). In der automatischen statistischen Auswertung werden die Anteile dann prozentual berechnet. In diesem Beispiel sind also knapp 50% der Hefezellen ruhend oder gärend und der andere Teil in der aktiven Vermehrung. Wenn man diese Darstellung mit der klassischen Hefevermehrungskurve kombiniert, wird die Bedeutung noch deutlicher:

In der Darstellung in Abbildung 3 ist deutlich zu erkennen, wie in der Vermehrungsphase der G2-Peak sein Maximum erreicht und anschließend wieder zurück geht, wenn die Hefen in die Gärungsphase übergehen. In der Absterbephase sind dann keine vermehrungsaktiven Hefen mehr vorhanden; es ist nur noch ein Peak zu erkennen. Auf diese Weise kann man zu jedem Zeitpunkt der Gärführung bestimmen, in welcher Stoffwechselphase sich die Hefen befinden. So können Gärprobleme, die sich aufgrund mangelnder Zellzahl oder falscher Rehydrierung ergeben, frühzeitig erkannt und geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Es handelt sich dadurch um ein sehr direktes Verfahren um Gärproblemen auf die Spur zu kommen. Zu diesem Zweck sind natürlich auch die hefeeigenen Reservestoffe von größter Wichtigkeit. Hier zeigen sich frühzeitig Mangelerscheinungen und Stoffwechselprobleme bevor es zur Bildung von sensorisch nachteiligen Produkten wie Schwefelwasserstoff und flüchtiger Säure kommt. Wenn anhand der Reservestoffmessung ein Mangel erkannt wird, kann direkt durch eine angepasste „Fütterung“ der Hefe reagiert werden.

Aktuell können folgende Parameter ebenfalls mit dem vorgestellten Gerät gemessen werden:

  • Glycogengehalt
  • Trehalosegehalt
  • Neutrallipide

als wichtigste Reservestoffe zur Energieversorgung

  • Proteinaseaktivität, zur Darstellung der Autolyse
  • Sprossnarbenhäufigkeit, als Indikator wie oft sich eine Hefezelle geteilt hat
  • Viability, Tot – lebend – Färbung
  • Membranpotential, um zu sehen wie widerstandsfähig die Zelle ist
  • Intrazellulärer pH-Wert, sinkt bei beginnender Absterbephase
  • Apoptoserate, der programmierte Zelltod bei Hefezellen

Um die Praxistauglichkeit des Verfahrens zu demonstrieren, wurden für die Versuchsreihen kommerziell erhältliche Weinhefen benutzt. Die einfachste und praktikabelste Möglichkeit boten hierzu Trockenreinzuchthefen. Die Namen und Hersteller der Weinhefe-Präparate für diese Versuchsreihe sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

Verwendete Hefepräparate für den Verfahrenstest
Hersteller Name Beschreibung
Erbslöh Oenoferm Bouquet Weißweinhefe var. bayanus
Kloster Neuburg Rieslinghefe
Begerow SIHA 7
SIHA 8 Burgunderhefe Stamm WF 748
Lalvin R-HAST Riesling Heiligstein (Saccharomyces cerevisiae) Selektion von Lallemand Viable cells 15*109/g
R2 (Saccharomyces bayanus) Mit Killerfaktor Viable cells 20*109/g
S6U (Saccharomyces uvarum)
Wädenwil W46
Andere Uvaferm SLO Cerevisae Universalhefe Lallemand-Tochter aus Dänemark

Die Hefereinzuchtpräparate wurden je nach Packungsbeilage vorschriftsmäßig rehydriert und dann in einem standardisierten Medium angesetzt. Nach einer zweitägigen Vermehrungszeit folgte die Teilsynchronisierung der Kulturen. Dieser Schritt ist für Standardisierung der Ergebnisse von entscheidender Wichtigkeit. Nur wenn ein Großteil der Hefezellen in der gleichen Zellzyklusphase sind, kann ein einheitliches Verhalten auch hinsichtlich der anderen Parameter erwartet werden. Man versucht hier also aus der individuellen Einzelzelle einen Verband zu machen, in dem sich fast alle Zellen gleich verhalten, um so ein statistisch besseres Ergebnis zu erzielen.

Durch den anfangs sehr eng gestalteten Probenahmerhythmus sollte erreicht werden, dass die Zellen in der Vermehrungsphase sehr intensiv beobachtet werden konnten. Da ab diesem Zeitpunkt bezüglich Zellzyklus und Reservestoffeinlagerung nicht mehr viel passiert, wurden die Intervalle länger, so dass im ersten Drittel der stationären Phase und gegen Ende der Gärung (100. Stunde) noch Proben genommen wurden. Diese Versuchsreihen erheben also nicht den Anspruch vollständig zu sein, sie sollen lediglich zur Einschätzung des Angärverhaltens dienen und einen Vergleich bezüglich der Gäraktivität verschiedener Hefepräparate zulassen.

In Abbildung 4 und 5 sind die Färbungen im mikroskopischen Bild zu sehen. Sehr schön zu erkennen ist hierbei, dass sich Trehalose und Neutrallipide eher in direkter Nähe der Zellmembran befinden, wohingegen sich Glycogen in der ganzen Zelle befindet.

Zur besseren Übersicht sind die jeweiligen Messreihen im Folgenden in Graphen dargestellt. Dabei sind die Reservestoffgehalte des jeweiligen Hefestammes gegeneinander aufgetragen und ergeben so ein Bild über das Angärverhalten und die Anpassung an das neue Medium. Steigt beispielsweise der Trehalosegehalt der Zelle zu Beginn stark an, so deutet das auf eine Stresssituation hin. Ein Absinken der Neutrallipidkonzentration, das meist damit einhergeht, zeigt an, dass die Hefe unter Nährstoffmangel leidet, da sie zu Beginn noch nicht in der Lage ist ausreichend Glucose aus dem Medium aufzunehmen. Unter diesen Gesichtspunkten ergeben die folgenden Abbildungen ein spezifisches Bild für jeden Stamm:

Das verwendete Vollmedium stellt für Weinhefen eine echte Bereicherung gegenüber dem Mangelmedium Most dar und führt zu einer starken Reservestoffeinlagerung und ungewöhnlich starker Zellvermehrung. Dieses Verhalten ließ sich vor allem bei Stämmen der Firma Lalvin beobachten.

Die einzelne Betrachtung der Hefestämme und genaue Auswertung der Graphen zeigt, dass überraschenderweise alle Hefestämme einer Firma vergleichbare Eigenschaften haben, wohingegen sich die Hersteller untereinander stärker unterscheiden. Bei fast allen Hefen konnte zu Beginn eine starke Abnahme des Neutrallipidgehaltes festgestellt werden, was in der Anpassungsphase an das neue Medium auch völlig normal ist. Gleichzeitig nimmt die Glycogeneinlagerung langfristig zu und schwankt recht wenig, wobei der Trehalosegehalt stärker variiert. Daran sieht man wie schnell eine Hefe Zucker aus dem Medium aufnimmt und wie stark sie dabei unter Stress gerät.

An den vorliegenden Beispielen sieht man deutlich, dass die Hefestämme nicht sehr stark unter Stress geraten sind. Das liegt natürlich an der Wahl des Gärmediums, zum anderen aber auch an der relativ kurzen Zeit der Versuchsführung. Da die Angärphase aber die wichtigste Zeit für die Hefebeobachtung ist, genügen die einhundert Stunden um eine sichere Aussage über den Hefezustand zu bekommen. Jede anpassungsbedingte Stressreaktion oder Mangelversorgung, die Einfluss auf den Erfolg der Gärung hätte, würde sich in diesem Zeitraum zeigen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich das System hervorragend eignet um Hefezellen während der Vermehrungs- und Gärungsphase zu überwachen. Momentan laufen weiterführende Versuche um das Gerät noch breitflächiger einsetzen zu können, so dass das Biomonitoring von Betriebshefen in ihrer natürlichen Umgebung in Zukunft eine ganz neue Dimension erreichen wird.

Alterung und Autolyse von Weinhefen

Nachdem in den vorausgegangenen Abschnitten über das System der Flusszytometrie und der Anwendung zur Bestimmung der hefeeigenen Speicherstoffe berichtet wurde, soll es an dieser Stelle um weitere Anwendungen gehen, um die Eignung der Flusszytometrie zur Beobachtung der Hefe während der Gärung zu verdeutlichen. Es geht dabei nicht darum eine abstrakte hochtechnische Möglichkeit zur Analyse vorzustellen, sondern vielmehr zu zeigen, dass die Flusszytometrie eine einzigartige Technologie ist um die Hefe als Ganzes zu untersuchen, um die komplette Entwicklung der Zelle von der Sprossung über die Lebensspanne bis zur Autolyse zu betrachten und so zu einem besseren Verständnis der Hefe und ihrer Befindlichkeiten beizutragen.

Für eine erfolgreiche Gärführung ist die Gesundheit der Hefepopulation von entscheidender Wichtigkeit. Dabei kommt es vor allem auf das Vermehrungsverhalten an. Sehr aktive Populationen, die sich entsprechend intensiv vermehren, werden hohe Zellzahlen erreichen und entsprechend sicher vergären. Vergärungen mit zu geringen Zellzahlen führen zu Fehltönen oder steckenbleibenden Weinen, die nicht mehr den Vorstellungen des Kellermeisters entsprechen. Das Wissen um die Anzahl der durchlaufenen Teilungen kann eine Hilfestellung sein, um das Alter und die Teilungsbedingungen im Gäransatz einzuschätzen.

Verschiedene Parameter begünstigen oder hemmen die Vermehrung der Hefe. Sauerstoff beispielsweise beeinflusst die Vermehrung der Hefe positiv, während CO2, hemmend wirkt. Ein Alkoholgehalt von über 6% vol. hat ebenfalls eine hemmende Wirkung, die Hefe kann sich jedoch relativ leicht an höhere Alkoholkonzentrationen anpassen. Außerdem spielen Temperatur, pH-Wert und Extraktgehalt eine Rolle bei der Vermehrungsgeschwindigkeit. Zur Ermittlung des Zellwachstums einer Hefekultur wird häufig die Zelldichte während der Fermentation verfolgt. Daraus resultiert eine Wachstumskurve, in der bestimmte Wachstumsphasen zu erkennen sind (Abbildung 7):

Abb. 7: Klassische Darstellung der Hefevermehrung
  1. Anpassungs- oder lag-Phase: Die Zellen adaptieren sich an das neue Medium und bilden Speicherstoffe und Enzyme, die für die Verwertung der Nährstoffe notwendig sind.
  2. log-Phase: Die Zellen teilen sich in dieser Phase mit konstanter Geschwindigkeit, es findet eine logarithmische Vermehrung statt.
  3. Stationäre Phase: Das Wachstum der Zellen verlangsamt sich infolge der Zunahme an Stoffwechselprodukten (Alkohol, CO2) und der Abnahme an Substrat.
  4. Absterbephase: Die Energiereserven der Zellen sind erschöpft. Eine verstärkte Autolyse der Hefen durch zelleigene Enzyme findet statt.

Die Vermehrung der Hefe erfolgt im Allgemeinen durch Sprossung. Die Mutterzelle bildet dabei eine knospenartige Membranausstülpung, die zu einer Tochterzelle heranwächst. Danach wird der Chromosomensatz identisch verdoppelt und auf die beiden Kerne verteilt, so dass die Tochterzelle die gleiche Chromosomenzahl wie die Mutterzelle besitzt. Zum Zeitpunkt der Teilung sind die Mutter- und die Tochterzelle verschieden groß, so dass die Tochterzelle vor ihrem Eintritt in den Zellzyklus noch ein Größenwachstum durchlaufen muss. Bei der Mutterzelle hinterlässt der Vorgang der Sprossung eine charakteristische Narbe, die aus Chitin–Einlagerungen in die Zellwand besteht. Diese Verhärtung führt zu einer schlechteren Membrandurchlässigkeit und damit zu weniger Stoffwechselleistung. Je älter also eine Zelle wird und je mehr Sprossungen sie durchgeführt hat, desto weniger aktiv ist ihr Stoffwechsel.

Altersbestimmung einer Hefekultur

Nun gibt es ein fluoreszenzoptisches Verfahren, das genau diesen Zusammenhang näher beleuchtet. Dabei werden die chitinhaltigen Sprossnarben selektiv angefärbt und anhand der Leuchtkraft kann das Alter der Kultur eingeschätzt werden. In Abbildung 8 ist diese Färbung im mikroskopischen Bild zu sehen.

In der Abbildung ist deutlich zu erkennen, wie die Enden der Hefezelle leuchten, genau da wo ehemals die Tochterzelle gebildet wurde. Von der Software wird das Ergebnis dann in Form eines Peaks ausgegeben, der zusammen mit der Bestimmung des Vermehrungsverhaltens über die Zellzyklusmessung interpretiert werden kann:

Dabei sieht man sehr schön, dass sich die Anzahl der Sprossnarben nach der intensiven Vermehrung zu Beginn der Weinbereitung stark erhöht hat. Der direkte Zusammenhang zwischen der Zellvermehrung und der Anzahl der Sprossnarben wäre damit belegt. Welche Aussage ergibt sich aber daraus? Um das zu verdeutlichen muss man eine größere Anzahl Messungen im Verlauf betrachten. In den Abbildungen 10 und 11 sind die Ergebnisse einiger Versuchsreihen im zeitlichen Verlauf dargestellt.

Aus Abbildung 10 wird deutlich, dass die zwei Weinhefen in Most ein sehr ähnliches Sprossungsverhalten zeigen. Innerhalb der ersten vier Stunden nimmt die Zahl der Sprossungen stark zu, um danach mittelfristig wieder abzusinken. Der Grund warum die Anzahl der Sprossnarben rückläufig ist, liegt daran, dass inaktive Hefezellen zu Boden sinken und somit in der Messung nicht mehr erfasst werden. Nur die stoffwechselaktiven Zellen, die sich wenig oder gar nicht geteilt haben, können noch bestimmt werden. Eine Probe des Bodensatzes zeigt dagegen eine sehr starke Fluoreszenz, also sehr viele Sprossungen.

Bei dem Versuch aus Abbildung 11 wurden Weinhefen auf zwei verschiedenen Medien geführt um so den Effekt der Nährstoffversorgung auf die Hefevermehrung zu verdeutlichen. Die Hefe, die in einem Vollmedium angesetzt wurde, das ein Vielfaches an Nährstoffen und Spurenelementen verglichen mit dem Most enthält, zeigt eine viel stärkere Vermehrung in den ersten vier Stunden. Die Zellzahl ist entsprechend höher und die Dauer der aktiven Sprossung um circa sechs Stunden länger. Die beiden markierten Punkte 1 und 2 zeigen die Zeitpunkte, wo die Zellen in die stationäre Wachstumsphase übergehen bzw. mit der Autolyse beginnen. Damit wird deutlich, dass eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen einen sehr großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Hefe und damit auf die Sprossungsbereitschaft hat. Somit können nicht nur Fehltöne vermieden, sondern die Gärung auch um einiges sicherer gemacht werden.

Anwendungsbeispiel Spontangärung

Um Spontangärungen zuverlässiger zu machen, wird häufig eine Strategie gewählt, die sich Pied de Cuve nennt. Dabei werden Trauben vor der eigentlichen Lese geerntet und spontan vergoren. Wenn der Ansatz den sensorischen und analytischen Vorstellungen genügt, kann aus dem Tank auf andere Partien überimpft werden. Je länger der ursprüngliche Ansatz nun schon gärt, desto älter sind die darin vorhandenen Hefezellen und entsprechend viele Teilungen haben diese schon hinter sich gebracht. Dadurch sinkt natürlich die Vermehrungsaktivität, da jede Hefezelle nur ein gewisses Potential in sich trägt. Dadurch verändert sich nicht nur die Zusammensetzung der „Spontanflora“, sondern auch die Sprossungsbereitschaft. Mit der hier vorgestellten Methode ist es möglich, das Potential eines solchen Hefeansatzes einzuschätzen. Damit kann entschieden werden, wie oft eine Hefeanzucht zum Überimpfen benutzt wird.

Hefeautolyse

Bei der Hefeautolyse bauen Enzyme zelleigene Kohlenhydrate, Proteine und Peptide ab. Die Vakuolen vergrößern sich und der Cytoplasmagehalt der Zelle nimmt ab. Das geschieht vor allem durch Auflösen der Vakuole, in der ein Großteil der abbauenden Enzyme „gelagert“ werden. Damit kommt es zu einer ungesteuerten Enzymaktivität in der Zelle. Die hydrolytischen Enzyme der Vakuole spalten solange alle Moleküle in ihrer Umgebung, wie die Umweltbedingungen es zulassen. Die Zelle löst sich selbst auf. Die Enzyme, die hauptsächlich an diesem Prozess beteiligt sind, sind Proteinasen, Glucosidasen und Nucleasen.

Die Neigung zur Autolyse hängt zum einen vom jeweiligen Hefestamm, aber auch vom Zustand der Hefe und der Gärführung ab. Hohe Gärtemperaturen forcieren zwar den Gärverlauf, aber dadurch wird auch die Stoffwechselleistung der Hefe stark beansprucht und die älteren Zellen autolysieren früher. Bei einer warmen Lagerung der Hefe werden die proteolytischen Enzyme aktiviert und somit ebenfalls die Autolyse vorzeitig begünstigt.

Die Bedeutung der Hefeautolyse für die Weinherstellung liegt vor allem in der Geschmacks- und Trübungsstabilität; ein Gleichgewicht, das durch Autolyseprodukte der Hefe beeinflusst werden kann. Eine gewollte Autolyse von Hefezellen findet zum Beispiel bei der Batonage-Lagerung Anwendung. Dabei werden spezielle Hefen zum Einsatz gebracht, die sehr leicht autolysieren und dabei Zellbestandteile in den Wein geben, die sowohl stabilisierend als auch geschmacksfördernd wirken sollen. Zentrale Punkte sind dabei die Weinstein- und Eiweißstabilität durch Mannoproteine.

Autolysemessung

Die Messung der Autolysegeschwindigkeit ist ebenfalls mit fluoreszenzoptischen Verfahren möglich. Das mikroskopische Bild ist in Abbildung 12 zu sehen.

Aus den an der Autolyse beteiligten Enzymen wird beispielhaft die Proteinase heraus gegriffen, da sie vor allem an der Zersetzung der Zellstrukturen beteiligt ist. In Abbildung 13 ist der Verlauf der Proteinaseaktivität im Verlauf einer Gärführung dargestellt.

Bei der Darstellung fällt auf, dass ab der 132. Stunde eine leichte Aktivitätszunahme zu sehen ist. Ab diesem Zeitpunkt beginnen vereinzelt Hefezellen abzusterben, was auch deutlich an der Abnahme der Reservestoffe zu erkennen ist. Durch den dadurch verursachten Nährstoffmangel wird in der Hefezelle die Autolyse beschleunigt; die Hefe stirbt ab.

Abb. 14: Biomonitoring in der Anwendung

Mit Hilfe dieser vorgestellten Methoden können sehr viele Aspekte im Leben einer Hefezelle näher untersucht werden. Wie vermehrt sich die Kultur? Wie gut ist die Versorgung? Wann beginnt das Absterben und wie viele aktive Zellen sind noch vorhanden? Mit diesem Wissen kann viel einfacher auf die Bedürfnisse der Hefe reagiert werden. Gärstörungen und deren Ursachen könnten einfacher bestimmt und entsprechend beseitigt werden. Damit steht ein wirksames Mittel zum besseren Verständnis einer der zentralen Punkte der Weinbereitung zur Verfügung. In Abbildung 14 ist ein solches Biomonitoring–System beispielhaft dargestellt.

Hier werden die konventionellen Daten aus der indirekten Kontrolle mit den neu gewonnenen Informationen der flusszytometrischen Analyse kombiniert. Dadurch entsteht ein kompletteres Bild über die Bedürfnisse, Ansprüche und Befindlichkeiten der Hefe während der Herführung und Gärung, das entsprechend verschiedenster oenologischer Maßnahmen beeinflusst und gesteuert werden kann.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

Sommer, S. (2014): Die gläserne Hefe. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.