Bakteriell induzierte Fehltöne in Wein

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Das Wachstum und der Stoffwechsel von Bakterien während der Weinbereitung werden häufig direkt vom Zustand und der Aktivität der Hefe beeinflusst. Dabei sind Bakterienzellzahl und -aktivität nicht nur von oenologischen Faktoren wie SO2-Gabe, Klärgrad und Schönungsmitteleinsatz abhängig, sondern auch direkt von Stoffwechselprodukten der Hefe. In Abbildung 1 ist der relevante Stoffwechsel schematisch dargestellt.

Abb. 1: Übersicht des projektrelevanten Zellstoffwechsels

Der im Rahmen dieses Projektes zusätzlich interessante Bakterienstoffwechsel beschränkt sich auf die Bildung von Ethylphenolen aus den Vinylvorstufen und die Umsetzung von Aminosäuren in Pyrrolin und Pyridine. Ansonsten ist der Metabolismus mit dem der Hefe vergleichbar.

Hydroxyzimtsäuren und flüchtige Phenole

Hydroxyzimtsäuren sind ein natürlicher Bestandteil zahlreicher Früchte und Lebensmittel. Diese Phenolsäuren können durch mikrobielle Aktivität zu flüchtigen Phenolen verstoffwechselt werden. Flüchtige Phenole beeinflussen das Aroma zahlreicher geräucherter Lebensmittel und einiger Getränke. Sie gehören auch bei Wein zu den normalen Inhaltsstoffen. In Weißweinen kommen hauptsächlich Vinylphenole vor, Ethylphenole sind selten; in Rotweinen dominieren Ethylphenole, wobei Vinylphenole selten sind.

Abb. 2: Bildungsweg flüchtiger Phenole aus Hydroxyzimzsäuren und deren sensorische Ausprägung

Vinylphenole stammen aus der enzymatischen Decarboxylierung von Hydroxyzimtsäuren während der alkoholischen Gärung. Moste, unabhängig von der Rebsorte, weisen fast keine flüchtigen Phenole auf, trotzdem können im fertigen Wein zehn bis mehrere hundert Mikrogramm pro Liter vorkommen. Sie werden für Fehltöne wie „phenolisch“, „animalisch“ und „Stallgeruch“ verantwortlich gemacht (Abbildung 2).

Ferulasäure und p-Coumarsäure sind nicht flüchtig und geruchslos und kommen in allen Weinen vor. Lange war man der Ansicht, dass flüchtige Phenole mit der Entwicklung von Milchsäurebakterien im Wein korreliert sind. Es war aber nicht möglich die Bildung mit dem biologischen Säureabbau in Verbindung zu bringen. Zahlreiche Mikroorganismen können in verschiedenem Maße p-Coumarsäure decarboxylieren, nur wenige Bakterien können dann aber die Reduktion durchführen. Bei den Hefen sind nur Vertreter der Gattungen Brettanomyces und Dekkera dazu fähig, die dann aber bis zu 60 % zu Ethylphenolen umsetzen. Oenococcus oeni ist nicht in der Lage 4-Ethylphenol zu produzieren.

Saccharomyces cerevisiae kann ebenfalls Hydroxyzimtsäuren decarboxylieren und damit flüchtige Phenole bilden. Die Affinität ist dabei stärker für p-Coumarsäure als für Ferulasäure. Das pH-Optimum liegt bei 6,5, was dazu führt, dass das Enzym nur innerhalb der intakten Zelle funktionieren kann. Die Umsetzungsrate ist stammspezifisch, wobei sich der Transport der Vorstufen in die Zelle nicht unterscheidet, sondern nur die Umsetzung. Eine höhere Konzentration an Substrat führt nicht zur Steigerung der Enzymaktivität. Die Decarboxylase-Aktivität ist bei Hefen zu Beginn der stationären Phase am höchsten und bleibt dann konstant bis zum Beginn der Absterbephase. Am Ende der alkoholischen Gärung ist die Aktivität praktisch nicht mehr vorhanden, so dass ein verlängertes Hefelager keine zusätzliche Freisetzung von Vinylphenolen bewirkt. Die Hefe kann nur Hydroxyzimtsäuren decarboxylieren, aber nicht die Weinsäureester, die die vorherrschende Form in der Traube sind.

Die Umsetzung von Hydroxyzimtsäuren in flüchtige Phenole könnte eine Stressreaktion sein, wobei die toxischen Säuren in eine weniger toxische Form überführt werden.

Aminosäuren und Mäuselton-Substanzen

Der Mäuselton ist ein sporadisch auftretender, aber sehr nachhaltiger und unangenehmer Fehlton im Wein. Er kann von einigen Milchsäurebakterien und Hefen der Gattungen Brettanomyces und Dekkera produziert werden. Er wird durch oxidative mikrobiologische Aktivität hervorgerufen und ist durch einen an Mäuseurin erinnernden Geruch und einen abstoßenden und sehr persistenten Nachgeschmack gekennzeichnet. Die betroffenen Weine sind ungenießbar und bisher ist keine zuverlässige Methode bekannt um den Fehlton zu entfernen. Der Mäuselton ist in seiner Ausprägung sehr komplex und meist mit anderen Weinfehlern wie Oxidation und flüchtiger Säure assoziiert. Die genauen Ursachen sind schwierig zu bestimmen. Die beiden Tautomere 2-Acetyl-1,4,5,6-tetrahydropyridin und 2-Acetyl-3,4,5,6-tetrahydropyridin (ATHP) sind unter anderem für die Ausprägung des Fehltons verantwortlich. Die beiden anderen Stoffe, die in mäuselnden Weinen identifiziert wurden sind 2-Acetyl-1-pyrrolin (AcPy) und 2-Ethyltetrahydropyridin (ETHP)(Abbildung 3).

Abb. 3: Bildungsweg der für den Mäuselton verantwortlichen Substanzen

Die Substanzen stammen alle aus dem Aminosäurestoffwechsel von Lysin und Ornithin. Über die Bildungsumstände gibt es zahlreiche Studien und Experimente, aus denen zwar die notwendigen stofflichen Voraussetzungen hervor gehen, nicht aber die Faktoren während der Weinbereitung, die zur letztendlichen Ausprägung des Fehltons führen. Die Vorstufen bzw. beteiligten Substanzen sind Fruktose, Ethanol, Acetaldehyd, Ornithin und Lysin sowie einige Mineralstoffe, wobei besonders Eisen hervorzuheben ist.
In Versuchen produzierten die meisten Lactobacillus-Stämme, alle Oenococcus-Stämme und ein einzelner Leuconostoc mesenteroides-Stamm einen Mäuselton. Bei den untersuchten Pediococcen konnte keine Bildung nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse stehen im starken Gegensatz zur Annahme, dass Oenococcus das einzige Milchsäurebakterium ist, das einen sauberen BSA durchführen kann. Unter den erhöhten Stressbedingungen mit extremer Zelldichte konnten die meisten untersuchten Stämme mindestens einen der verursachenden Stoffe bilden. Die Versuche legen nahe, dass es sich beim Bildungspotential um eine Charakteristik von heterofermentativen Milchsäurebakterien handelt. Das größte Potential haben demnach Lactobacillus (heterofermentativ) > Oenococcus > Pediococcus > Lactobacillus (homofermentativ). Ein Zusammenhang zwischen Zuckermetabolismus und der Bildung eines Mäuseltons ist somit wahrscheinlich. Über das Bildungspotential unter Weinbedingungen kann dadurch noch keine Aussage getroffen werden.

Der Fehlton kann im Wein nicht geruchlich wahrgenommen werden, da die verantwortlichen Substanzen bei den gegebenen pH-Werten nicht ausreichend flüchtig sind. Erst die pH-Anhebung im Mundraum bzw. auf der Haut erhöht die Wahrnehmbarkeit. Es existieren daher kaum verlässliche Schwellenwerte in der Literatur.

Ergebnisse aus eigenen Versuchen

Die Entwicklung der Hydroxyzimtsäuren während der Weinbereitung scheint immer einem gewissen Schema zu folgen. Die absoluten Gehalte der phenolischen Substanzen unterscheiden sich zwar zwischen den Jahrgängen, trotzdem bleibt die grundsätzliche Stoffwechseldynamik gleich. Demnach lassen sich die Gehalte an Hydroxyzimtsäuren eher dem Probenahmezeitpunkt zuordnen als der Versuchsvariante, was dafür spricht, dass diese Stoffe ein fester Bestandteil des normalen Stoffwechsels von Hefen und Bakterien sind.
Dennoch gibt es gewisse Effekte oenologischer Verarbeitungsschritte, die das Fehltonpotential in Bezug auf flüchtige Phenole beeinflussen können. Da nur monomere Hydroxyzimtsäuren von Mikroorganismen verstoffwechselt werden können, ist der Hydrolyseschritt der Weinsäureester entscheidend, wenn es um das Potential zur Bildung flüchtiger Phenole geht. Die Esterhydrolyse scheint aber nicht aktiv von der Hefe forciert zu werden. In Abbildung 4 ist der Effekt des Hefelagers deutlich zu sehen, wo die meiste Hydrolyseaktivität zu beobachten ist. In der Abbildung ist jeweils die Konzentration des Weinsäureesters gegen die der monomeren Säure aufgetragen. Je größer die Kugeln werden, desto weiter ist die Weinbereitung vorangeschritten.

Abb. 4: Hydroxyzimtsäurederivate im Chardonnay 2008

Daraus wird ersichtlich, dass von der Mostprobe über Gärung und biologischen Säureabbau nur sehr wenig Hydrolyse stattfindet. Erst zu dem Zeitpunkt, wo durch die Autolyse der Hefezellen eine Vielzahl von Enzymen im Medium frei wird, entstehen größere Mengen monomere Hydroxyzimtsäuren. Auffällig ist auch, dass die Fertarsäure nur in sehr begrenztem Maße verändert wird, während sich die Veränderungen der Coutarsäurekonzentration im Milligrammbereich bewegen. Die offensichtliche Affinität von Mikroorganismen gegenüber einzelnen Phenolsäuren ist schon in der Literatur beschrieben, hat aber auf das Bildungspotential flüchtiger Phenole keinen Einfluss, da trotzdem aus Ferulasäure meist deutliche Mengen an 4-Vinylguajacol entstehen.

Abb. 5: Hydroxyzimtsäurederivate im Spätburgunder 2008

In Abbildung 5 ist die gleiche Darstellungsweise für die Rebsorte Spätburgunder zu sehen, wobei hier ein besonderes Augenmerk auf dem Unterschied zwischen Maischegärung und Maischeerhitzung liegt. Im unteren Bereich der Grafik ist die Auswirkung des Schalenkontakts deutlich zu sehen. Die Menge an Phenolsäuren ist zu Beginn noch sehr gering und nimmt dann im Verlauf der Weinbereitung zu, wobei hier der Effekt des Hefelagers nicht so deutlich zu beobachten ist.

Im Fall der erhitzten Varianten liegen die Phenolsäuren durch den thermischen Aufschluss bereits von Anfang an frei vor. Hier ist dann auch der Hydrolyseeffekt wieder deutlicher sichtbar. Bemerkenswert ist auch, dass in maischeerhitztem Spätburgunder des Jahrgangs 2008 etwa doppelt so viel freie Hydroxyzimtsäuren vorliegen, was das Fehltonpotential deutlich erhöht. Obwohl in der Literatur Hinweise zu finden sind, dass eine höhere Menge an Vorstufen nicht zwangsläufig größere Mengen flüchtige Phenole zur Folge hat, ist die Umsatzrate vom Hefe- bzw. Bakterienstamm abhängig und zumindest in den vorliegenden Versuchen wurden im erhitzten Spätburgunder zum Teil mehr flüchtige Phenole gefunden. Frühere Arbeiten erwähnen den Einfluss des Gesamtphenolgehaltes, der eine inhibierende Wirkung auf die Umsetzung von Phenolsäuren haben soll. Das könnte hier der Grund sein, warum mehr Substrat auch zu mehr Produkt geführt hat, da der Gehalt an Gesamtphenolen im erhitzten Spätburgunder deutlich unter dem der Maischegärung lag (circa 700 mg/L gegen 2000 mg/L berechnet als Gallussäure).

Abb. 6: Hauptkomponentenanalyse der flüchtigen Phenole im Weißburgunder 2008

In der Vergangenheit wurde bereits der Verdacht geäußert, dass ein verzögerter biologischer Säureabbau direkt zu einer Erhöhung der flüchtigen Phenole führt. Diese Verzögerung kann entweder durch Lysozymgabe erfolgen oder durch ungünstige Milieubedingungen vor und während des BSA. Diese Vermutung konnte durch weitere Versuche untermauert werden. In Abbildung 6 ist dieser Effekt bei den Weißburgunderversuchen im Jahrgang 2008 sehr deutlich zu erkennen.

Mit Ausnahme einer Variante haben die Lysozymversuche mit spätem BSA die höchsten Gehalte an flüchtigen Phenolen. Woran diese Besonderheit liegt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher sagen. Vorstellbar ist eine Reaktion der Bakterien auf die ungünstigen Milieubedingungen. Stressbedingte Entgiftungsschritte sind auch in der Literatur dokumentiert, wobei in diesem Fall offen ist, ob das Lysozym den Stress induziert oder andere Faktoren wie hoher Alkoholgehalt, fehlender Zucker, fehlende Gärungswärme oder ähnliches. Ein niedriger pH-Wert scheint den Effekt ebenfalls zu verstärken, was die Stressthese unterstützen würde.

Da Vinylguajacol und Vinylphenol zumindest im Jahrgang 2008 in nahezu allen Versuchsweinen in verschiedensten Konzentrationen entstanden ist, kann man davon ausgehen, dass die Umsetzung durch verschiedenste Mikroorganismen im Weinbereich zum normalen Stoffwechsel gehört. Es gibt aber Jahrgangsunterschiede und Rebsorten bedingte Faktoren, die einer weiteren Klärung bedürfen. So war die Bildung flüchtiger Phenole im Jahrgang 2009 bei Weitem nicht so ausgeprägt. Ein möglicher Grund könnten die höheren pH-Werte und damit die besseren Milieubedingungen gewesen sein, da wie bereits erwähnt, hinter der Decarboxylierung von Hydroxyzimtsäuren eine Stressreaktion zu vermuten ist.

Abb. 7: Hauptkomponentenanalyse aller bakteriellen Fehltöne im Jahrgang 2009

Nachdem im Jahrgang 2008 trotz intensivster Bemühungen kein Mäuselton erzeugt werden konnte, sind 2009 in einigen Varianten geringe Konzentrationen der Verursachersubstanzen gefunden worden. Obwohl die Mengen unter den sensorischen Schwellenwerten lagen, also auch in der deskriptiven Analyse unbeachtet blieben und nicht zum Verderb des Weines geführt haben, sind trotzdem einige Aussagen zu Bildungsumständen möglich. In Abbildung 7 ist die Hauptkomponentenanalyse aller Versuchsweine im Jahrgang 2009 bezüglich aller gefundenen Fehltöne dargestellt. Der überwiegende Teil der Weine zeigt dabei verhältnismäßig kleine Unterschiede in der Zusammensetzung und ist daher nicht gesondert beschriftet. Lediglich die Varianten, die auffällig sind, sind benannt und sollen im Folgenden diskutiert werden.

Auffällig ist, dass besonders die Spontangärungsvarianten der verschiedenen Rebsorten vermehrt unter den abweichenden Weinen zu finden sind. Dabei verhalten sich aber die Rebsorten stark unterschiedlich was die Art und Menge der gebildeten Fehltöne angeht. Ob diese Unterschiede sortenspezifisch sind oder auf eine unterschiedliche Mikroorganismenflora zurückzuführen sind, kann nicht geklärt werden. Auffällig ist aber, dass in Chardonnayweinen vermehrt Vinylphenole zu finden sind, wohingegen Rotweine und dabei besonders die Frühburgundervarianten kaum erhöhte Gehalte aufweisen. Hier herrschen eher die Ethylvarianten flüchtiger Phenole vor, die 2009 im Gegensatz zu 2008 in geringen Mengen gebildet wurden.

Diese Beobachtung deckt sich mit Berichten, die in der Literatur zu finden sind, wo in Rotweinen die Verteilung oft von denen in Weißweinen abweicht. Gerade für die Rebsorte Chardonnay hat das aber auch sensorische Konsequenzen. In beiden Jahrgängen wiesen die Weine höhere Mengen flüchtige Phenole auf als alle anderen Varianten, was ihnen oft einen stark rauchigen und phenolischen Eindruck verlieh. Es könnte sich nach dem jetzigen Kenntnisstand um eine Sortencharakteristik des Chardonnays handeln, wobei die Gründe für die verstärkte Decarboxylierung von Hydroxyzimtsäuren noch geprüft werden müssen.

Auffällig ist ebenfalls, dass die Simultanbeimpfungsvariante in 2009 eine kleine Menge 2-Acetyl-1-pyrrolin enthielt. Zwar lag der Gehalt unter dem Schwellenwert zur Ausbildung eines Mäuseltons, dennoch haben die oenologischen Bedingungen offensichtlich zur Synthese geführt. Das wirft die Frage auf, ob der simultane Einsatz von Bakterien dafür verantwortlich war oder die natürliche Flora hier die entscheidende Rolle gespielt hat. In früheren Experimenten wurde die Fähigkeit von Oenococcus oeni zur Bildung eines Mäuseltons belegt, so dass auch hier nicht ausgeschlossen werden kann, dass die inokulierten Bakterien die Synthese verursacht haben.

Das größte Fehltonpotential zeigte sich aber bei den Kaltmazerationsversuchen mit Frühburgunder in 2009. Besonders hervorzuheben sind die Varianten, wo mit spontanem BSA oder auch komplett spontan gearbeitet wurde. Hier entstanden sowohl Ethylphenole als 2-Ethyltetrahydropyridin, wobei der Schwellenwert für einen Mäuselton nicht erreicht wurde. Dennoch kann man die entstandenen Weine als biologisch belastet einstufen, was in der unkontrollierten enzymatischen Aktivität während der Mazerationsphase begründet sein könnte. Hier bieten sich nicht nur nahezu ideale Vermehrungsbedingungen für Mikroorganismen, auch die Extraktion von Inhaltsstoffen und potentiellen Vorstufen für Fehltöne ist verstärkt möglich. Auffällig und schwer zu interpretieren ist aber die Frühburgunder Kontrolle, die ohne Kaltmazeration hergestellt wurde. Der Wein weist die höchsten Ethylphenolgehalte auf und zeigt auch sensorisch eine starke Beeinflussung durch das Attribut „Wassermalfarbe“, das mit 4-Ethylphenol und 4-Ethylguajacol assoziiert ist. Da der Wein durch klassische Maischegärung produziert wurde, muss davon ausgegangen werden, dass stark mikrobiologisch belastetes Lesegut in Verbindung mit dem hohen pH-Wert der Grund dafür gewesen ist.

Die maischeerhitzten Varianten der Rebsorte Spätburgunder zeichnen sich dagegen durch das nahezu vollständige Fehlen von flüchtigen Phenolen aus. Hier hat der im Vergleich zum Jahrgang 2008 erhöhte Gesamtphenolgehalt offensichtlich die Bildung behindert, was sich mit früheren Versuchen in der Literatur deckt. Für diesen Jahrgang war das Verfahren der Erhitzung also der richtige Weg um sowohl biologische Sicherheit zu erreichen, als auch die Bildung flüchtiger Phenole und anderer Fehltöne zu verhindern, da der Unterschied zwischen Maischegärung und -erhitzung im Bezug auf den Gesamtphenolgehalt sehr gering war.
Zur Bildung eines Mäuseltons konnten leider kaum neue Erkenntnisse gewonnen werden, da die Bildungsumstände unter Weinbedingungen zu wenig bekannt sind und es auch in diesem Projekt zu selten gelungen ist, die Bildung der Verursachersubstanzen zu forcieren. Grundsätzlich vermieden werden kann der Fehler nur durch eine generelle Verbesserung der biologischen Sicherheit bei der Weinbereitung.

Abb. 8: Hauptkomponentenanalyse der Verderbnisindikatoren im Jahrgang 2008

In Abbildung 8 sind die im Rahmen dieses Projektes betrachteten Marker mikrobiologischer Aktivität zusammen mit allen Weinen des Jahrgangs 2008 in einer Hauptkomponentenanalyse dargestellt. Dadurch soll der Zusammenhang zwischen verschiedenen analytischen Faktoren und oenologischen Maßnahmen verdeutlicht werden.

In dieser Darstellung werden unter anderem einige oenologische Einflüsse auf mikrobielle Indikatoren gezeigt. Für die Versuche mit der Rebsorte Grauburgunder wird beispielsweise der Einfluss des biologischen Säureabbaus auf den Gehalt biogener Amine deutlich. Mit einem BSA wird der Wein in Richtung Amine verschoben, was sicherlich aufgrund der bakteriellen Aktivität logisch erscheint. Dennoch muss aufgrund dieser Ergebnisse von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Erhöhung des Amingehaltes während des biologischen Säureabbaus ausgegangen werden.

Interessant ist auch, dass der Gehalt biogener Amine nur wenig mit anderen klassischen biologischen Verderbnisparametern wie flüchtiger Säure und flüchtigen Phenolen korreliert. Vielmehr scheint der Gehalt an D-Milchsäure, also einem Stoff, der bei der Milchsäuregärung entsteht, in den gleichen Weinen erhöht zu sein, in denen auch biogene Amine zu finden sind. Die flüchtigen Phenole scheinen eher negativ korreliert zu sein. Um diesen Zusammenhang näher verstehen zu können, ist es interessant, die Mikroorganismen zu kennen, die in den Versuchsweinen isoliert werden konnten. In Abbildung 9 sind die identifizierten Bakterien in einer PLS Regression mit den Versuchsweinen des Jahrgangs 2008 dargestellt. Da die Identifikation von Bakterien keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, ist die Interpretation mit Vorsicht anzugehen, da die Möglichkeit besteht, dass vorhandene Bakterien nicht isoliert werden konnten.

Abb. 9: PLS-Regression zum Einfluss verschiedener Bakterienarten auf die Bildung von Weinfehlern

Eine recht gute Korrelation konnte zwischen erhöhten Gehalten an flüchtiger Säure und dem Auftreten von Lactobacillus brevis und paracasei gefunden werden. Flüchtige Phenole sind gut mit Oenococcus oeni assoziiert, was sicher auf den ersten Blick etwas überrascht, da Oenococcus in der Literatur nicht mit der Bildung in Verbindung gebracht wird. Die Erklärung könnte in der Tatsache zu finden sein, dass Oenococcus die am häufigsten gefundene Gattung im Jahrgang 2008 war und diese Korrelation daher auf den generell erhöhten Werten flüchtiger Phenole beruhen könnte. Interessant ist, dass keine Milchsäurebakterienart direkt mit der Bildung biogener Amine korreliert werden konnte, obwohl es deutlich erhöhte Werte in den Weinen gab. Möglicherweise gibt es also keinen „Hauptschuldigen“, sondern eine ganze Reihe von verantwortlichen Mikroorganismen.

Der Frage nach den oenologischen Faktoren für das höhere Bildungspotential von Fehltönen wird in Abbildung 10 nachgegangen. Hier wurden alle Versuchsweine des Jahrgangs 2009 nach ihrer BSA-Strategie sortiert um die Verbindung zwischen dem Verfahren und der Fehltonausprägung darzustellen.

Abb. 10: Zusammenhang zwischen kellerwirtschaftlichen Faktoren und Fehltonbildung im Versuchsjahrgang 2009

Die bereits in den vorangegangen Kapiteln diskutierten Einflüsse von Spontangärung und spontanem BSA auf das Bildungspotential sind auch hier klar zu sehen. Der überwiegende Teil, der als besonders unangenehm empfundenen Fehlaromen sind in diesem Bereich zu finden. Interessant ist allerdings, dass die simultane Beimpfung des BSA ähnliche Ergebnisse bringt. Hier sollte die Anwendung in der Praxis nicht nur von den Jahrgangsbedingungen abhängig gemacht, sondern auch prinzipiell kritisch hinterfragt werden. Schließlich haben beide Versuchsjahrgänge gezeigt, dass die Technik des Simultan-BSA nicht zu fehlerfreieren Weinen führt. Um eventuelle andere Einflussfaktoren, zum Beispiel aus der Gärführung ausschließen zu können, wurden alle Gär- und BSA-Verläufe statistisch ausgewertet. Somit ist es möglich, den Einfluss beispielsweise von langer Gärdauer oder spät einsetzendem BSA statistisch zu betrachten. In Abbildung 11 ist die PLS-Regression dieser Auswertung zu sehen.

Abb. 11: Zusammenhang oenologischer Faktoren mit dem Fehltonpotential während der Weinbereitung (PLS-Regression)

In dieser Darstellung sind auch einige Prüfparameter eingebaut um die Qualität der Statistik zu kontrollieren. Beispielsweise zeigt die räumliche Nähe von „Äpfelsäure“ und „kein BSA“ oder „Spontangärung“ und „später Zuckerabbau“, dass die Zusammenhänge in sich logisch sind. Sieht man sich die Korrelationen näher an, zeigen sich einige interessante Aspekte, die bisher zwar vermutet wurden, aber nicht quantitativ statistisch ausgewertet werden konnten. Eine lange Gärdauer fördert beispielsweise einen spontanen BSA. Dieser Zusammenhang wurde vermutet, da durch den verlangsamten Stoffwechsel und die früh einsetzende Autolyse der Hefezellen eine optimale Nährstoffversorgung der Bakterien möglich ist. Die Folge sind ähnliche Effekte wie bei einer Simultanbeimpfung, wo die Bakterien sowohl vom reichen Nährstoffangebot, als auch von moderaten Zuckerkonzentrationen profitieren. Daraus resultiert ein umfangreicherer Stoffwechsel mit mehr Metaboliten; unter Umständen damit auch mehr Weinfehlern.

Ein später Äpfelsäureabbau lässt sich statistisch sinnvollerweise mit Lysozymeinsatz korrelieren, hängt aber auch mit höheren Gehalten an flüchtigen Phenolen zusammen. Außerdem zeigt der Einsatz von Thiamin einen Effekt auf die Bildung biogener Amine. Dieser Versuch, der mit Grauburgunder im Jahrgang 2008 durchgeführt wurde, zeigt im direkten Vergleich der Varianten, dass eine Erhöhung der Thiaminmenge zu einer verstärkten Bildung von Aminen führen kann. Da Thiamin die Decarboxylierungsreaktionen in der Zelle ermöglicht, wurde die Hypothese geprüft, ob auch die unspezifische CO2-Freisetzung aus Aminosäuren davon betroffen ist. Dass der Befund nun positiv ist, zeigt eine gewisse Problematik beim Einsatz von Thiamin in kritischen Weinen, die sicher in der Zukunft noch weiterhin geprüft werden muss.

Die Menge der aufgenommenen Aminosäuren (AS-Aufnahme) spielt für eine Reihe gärungsspezifischer Parameter eine Rolle, was sicher zu einem gewissen Grad zu erwarten war. So wird die Gärdauer von einer hohen Aminosäureaufnahme verkürzt und der Zuckerabbau beginnt früher. Interessant ist, dass auch die Gehalte an D-Milchsäure und biogenen Aminen reduziert werden, wenn die vorhandenen Mikroorganismen viele Aminosäuren konsumieren. Die Gründe hierfür könnten in einem schnelleren und saubereren Stoffwechsel liegen. Die Aminosäureaufnahme selbst lässt sich aber mit keinem der untersuchten Parameter korrelieren.

Im Rahmen dieses Projektes hat sich der Parameter der D-Milchsäure als nützlicher Hilfswert für die Einschätzung des mikrobiologischen Verderbs erwiesen. Da D-Milchsäure hauptsächlich durch bakterielle Aktivität entsteht, ist es nicht verwunderlich, dass der Gehalt stark mit BSA-Parametern korreliert und in verzögerten BSA-Varianten und Spontangärungen deutlich erhöht ist. Der Parameter eignet sich daher unter diesem Gesichtspunkt besser als die flüchtige Säure um unerwünschte mikrobielle Aktivität frühzeitig zu erkennen.

Empfehlung

Eine verzögerte Gärung und ein spät einsetzender BSA können zu vermehrter Fehltonbildung führen. Umso wichtiger ist ein zügiger und sauberer Stoffwechsel aller beteiligten Mikroorganismen. Reinzuchthefen und -bakterien minimieren dabei das Risiko. Zusätzlich können Erhitzungsschritte bei Rotwein und der Einsatz von SO2 und Lysozym die biologische Sicherheit erhöhen. Zu beachten ist hierbei aber immer, dass der biologische Säureabbau nur verzögert und nicht verhindert werden kann. Tritt er dann verspätet ein, ist die sensorische Auswirkung nicht vorherzusagen.

Wenn nicht auf die natürliche Flora verzichtet werden kann, muss diese in hohem Maße durch optimale Umgebungsbedingungen gefördert werden um eine rasche Aktivität zu garantieren.

Danksagung

Die Untersuchungen wurden aus Mitteln der industriellen Gemeinschaftsforschung (Bundeswirtschaftsministerium / AiF) über den Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) gefördert (Projekt-Nr. AiF 15833 N).

Wir danken den kooperierenden Weingütern und Genossenschaften, sowie den Firmen Lallemand, Erbslöh und Begerow für die finanzielle und praktische Unterstützung.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Sommer, S. (2014): Bakteriell induzierte Fehltöne in Wein. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.
  • Chatonnet, P., D. Dubourdieu, J. N. Boidron und V. Lavigne (1993). Synthesis of volatile phenols by Saccharomyces cerevisiae in wines. Journal of the Science of Food and Agriculture 62(2): 191-202.
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