Anthocyane

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FTIR-Spektroskopie

Anthocyane sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in blauen Trauben, vornehmlich in der Beerenhaut, als Farbstoffe vorkommen. Sie sind für die Tönung roter Moste und Weine verantwortlich. Mittels FTIR-Spektroskopie kann die Rotweinfarbe in Most und Wein charakterisiert werden. Im Folgenden wird die Schnelltest-Analytik der Anthocyane vorgestellt.

Methodik

Mit Hilfe der Fourier-Transformations-Infrarot Spektroskopie (FTIR) können heute schon viele wichtige Weininhaltsstoffe innerhalb kürzester Zeit preiswert analysiert werden. Damit ist sie eine gern genutzte Alternative zur Routine- bzw. Referenzanalytik. Der Vorteil liegt in der sehr schnellen Verfügbarkeit eines großen Spektrums von Parametern und der Flexibilität des Messsystems. So wird diese Technologie sowohl in der gesamten Lebensmitteluntersuchung, als auch in der Feststoffanalytik und der Differenzierung von Mikroorganismen eingesetzt. Im vorliegenden Beispiel konnte gezeigt werden, dass auch Substanzen, die in sehr geringen Konzentrationen im Most oder Wein vorliegen, messbar sind, sofern ihre strukturellen Eigenschaften die Anregung in bestimmten Wellenlängenbereichen ermöglichen. Anthocyane haben genau diese Eigenschaften und können so in Konzentrationen unter 100 mg/L bestimmt werden, während andere Weinparameter wie Zucker oder Säuren erst im g/L-Bereich mit zufriedenstellender Genauigkeit analysiert werden können.

Stark vereinfacht wird prinzipiell bei der FTIR Spektroskopie ein sogenanntes Interferogramm gemessen. Dazu wird Licht jeweils über einen festen und einen beweglichen Spiegel geleitet. Die Lichteigenschaften unterscheiden sich aufgrund der Probenbeschaffenheit und des unterschiedlichen Lichtweges und werden übereinander gelegt. Das resultierende Interferogramm wird mittels Fourier-Transformation in das dazugehörige Spektrum umgerechnet. Im Vergleich zu einer Referenzdatenbank können nun Bereiche des Spektrums in analytische Werte umgerechnet werden.

Die Erweiterung der FTIR-Untersuchungsparameter auf die Anthocyane könnte neben dem Kostenfaktor in vielerlei Hinsicht Vorteile bedeuten: Verbraucherpräferenzen zeigen deutlich auf, dass die Beurteilung der Qualität eines Rotweins eng im Zusammenhang mit dessen Farbstoffgehalt steht. Deshalb könnten die Analyseergebnisse der Anthocyanverteilung in die Bewertung der Farbintensitäten und -ausprägung während der Rotweinbeinbereitung als analytischer Faktor einfließen, so dass oenologische Maßnahmen hinsichtlich der Farbqualität frühzeitig ergriffen werden können. Außerdem wird das Vorkommen verschiedener Anthocyane und deren prozentuale Verteilung im Weingroßhandel als Fingerabdruck zur Rückverfolgbarkeit genutzt. Des Weiteren können über die quantitative Analyse des Malvidin-3-glucosids, welches den Haupanteil der Farbpigmente ausmacht, näherungsweise Aussagen über das Alter des Weines getroffen werden.

Abb. 1: Beispielspektrum eines Rotweins zur Anthocyanmessung

Da die Verteilungen der Farbkomponenten in den einzelnen Rebsorten sehr unterschiedlich sind, kann das Anthocyanspektrum ebenfalls zum Authentizitätsnachweis von Weinen im Fassweinhandel genutzt werden. Ob das FTIR die dafür erforderliche Präzision jemals erreichen kann, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehen, da die Methode noch ganz am Anfang steht. Grundsätzlich handelt es sich aber um eine „lernende“ Methode, was vereinfacht bedeutet, je mehr Proben in der Datenbank des Systems vorhanden sind, desto besser wird die Qualität der Messung. Das ist im Verfahren begründet, mit dem das FTIR arbeitet. Bei jeder Messung wird ein Spektrum aufgezeichnet, das mit der Datenbank verglichen wird. Dazu liest die Software verschiedene Bereiche des Spektrums aus und ordnet sie Parametern zu. Je mehr Vergleichsdatensätze für dieses Auslesen zur Verfügung stehen, desto besser können Schwankungen in reelle Werte umgerechnet werden. Ein Beispiel einer solchen Messung ist in Abbildung 1 dargestellt. Es handelt sich in diesem Fall um einen jungen Rotwein unbekannter Rebsorte. Die daraus berechneten Werte sind in Tabelle 1 abgebildet.

Tab. 1: Ergebnisse der Messung des Rotweins aus Abbildung 1
Bezeichnung Gesamt-Anthocyane [mg/L] Malvidin-3-glucosid [mg/L] Acetylierte + Cumarylierte Anthocyane [mg/L] Acetylierte + Cumarylierte Anthocyane [%] Acetylierte / Cumarylierte Anthocyane
Test Rotwein 215,2 59,4 64,4 18,6 3,00

Das Ziel dieses Projektes war es, eine neue Methode für die schnelle Messung von Anthocyanen im Rotwein mittels Fourier-Transformations-Infrarot Spektroskopie (FTIR) zu entwickeln. Die Messung der Spektren erfolgte über das Winescan FT 120 der Firma FOSS (FOSS GmbH, Rellingen). Mit Hilfe einer HPLC-basierten Referenzmethode nach einer modifizierten OIV-Richtlinie (Oeno 22/2003 verändert durch Oeno 12/2007: MA_E_AS315_11_ANCYAN) wurden dann im nach DIN EN ISO/IEC 17025:2005 akkreditierten Labor die Monoglucoside von Cyanidin, Peonidin, Delphinidin, Petunidin und Malvidin, sowie deren Essigsäure- und Coumarylsäureester bestimmt. Über die Korrelation der Ergebnisse von Referenz und FTIR wurde eine Basiskalibration für die FTIR-Technik erstellt und anschließend validiert. Als Kalibrationsset dienten etwa 200 Weine und Moste verschiedener Rebsorten und Herkunft. Die entstandene Basiskalibration umfasst sowohl Moste als auch Weine und bietet somit einen großen Vorteil zur übrigen spektroskopischen Analytik. Viele Inhaltsstoffe können nicht matrixunabhängig analysiert werden. Das bedeutet, dass beispielsweise die Messung der Gesamtsäure in einem Most nicht mit der WineScan-Kalibrierung erfolgen kann. Dadurch entstehen immer wieder Schwierigkeiten beispielsweise bei gärenden Weinen. Eine matrixunabhängige Kalibrierung umgeht dieses Problem, da hier die Anthocyane in Most und Wein gleichermaßen gemessen werden können. Das liegt im Fall der Anthocyane an ihren strukturellen Eigenschaften, die sie für diese Analyse prädestinieren. Außerdem umfasst die aktuelle Anthocyan-Kalibrierung bis zu fünf Jahre alte gereifte Weine, so dass auch der fortschreitenden Polymerisation Rechnung getragen wird. Im Laufe der Rotweinlagerung nehmen die Mengen der monomeren Anthocyane kontinuierlich ab und im Gegenzug die der Polymere zu. Dadurch ist die Eingrenzung des Alters möglich. Bei der hier erarbeiteten Methode werden lediglich die monomeren Anthocyane und deren Derivate analysiert.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der aktuell kalibrierten Parameter überraschend gut ist (Tabelle 2). Es zeigen sich Korrelationen von teilweise 80 % im Vergleich zur Referenzanalytik, was im Verhältnis zur Menge der Datensätze in der Datenbank ein beachtliches Ergebnis ist.

Tab. 2: Qualität der messbaren Parameter im Verhältnis zur Referenzanalytik
Parameter Bestimmtheitsmaß (R2)
Summe Anthocyane [mg/L 0,8226
Malvidin-3-glucosid [mg/L] 0,7901
Summe der acylierten Anthocyane [mg/L] 0,7327
Summe der acetylierten Anthocyane [mg/L] 0,6238
Summe der cumarylierten Anthocyane [mg/L] 0,6009
Verhältnis acetylierter zu cumarylierter Anthocyane 0,7997

In Abbildung 2 ist die mittlere Abweichungsverteilung der einzelnen Parameter dargestellt. Hier ist zu sehen, dass die Qualität der Daten nicht einheitlich ist und noch einiger Nachbesserung bedarf.

Abb. 2: Abweichung der FTIR-Messungen zur Referenzanalytik (a: Gesamtanthocyane, b: Malvidin-3-glucosid, c: Summe acylierter Anthocyane, d: Summe acetylierter Anthocyane, e: Summe cumarylierter Anthocyane, f: Verhältnis acetylierter zu cumarylierter Anthocyane)

Misst man beispielweise einen Weißwein mit der Anthocyankalibrierung, so werden auch hier positive Ergebnisse im Bereich der Gesamtanthocyane angezeigt. Dieses auf den ersten Blick überraschende Resultat erklärt sich dadurch, dass auch Weißweine phenolische Substanzen enthalten, die den Anthocyanen strukturell sehr ähnlich sind. Es handelt sich dabei um Hydroxyzimtsäuren und Flavanole, die Gesamtkonzentrationen von bis zu 200 mg/L erreichen können. Diese täuschen in der aktuellen Kalibrierung noch Anthocyane vor und müssen über verschiedene qualitätsverbessernde Maßnahmen „heraus kalibriert“ werden. Dass das aber sehr gut möglich ist, hat die Erfahrung im Bereich der Most- und Weinanalytik mittels FTIR der letzten Jahre gezeigt.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass aus der Anthocyanmessung mittels FTIR in Zukunft ein Verfahren werden kann, das die schnelle und einfache Einschätzung der Rotweinfarbe erlaubt. Zwar müssen Abstriche bei der Messunsicherheit im Vergleich zur Referenzmethode gemacht werden, aber die schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse und die kostengünstige Methode wiegen das sicher wieder auf.

Einzelnachweise


Literaturverzeichnis

  • Sommer, S. (2014): Schnelltest-Analytik der Anthocyane - Charakterisierung der Rotweinfarbe in Most und Wein mittels FTIR-Spektroskopie. Abteilung Weinbau & Oenologie (Gruppe Oenologie), Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Neustadt an der Weinstraße.
  • Soriano, A., Pérez-Juan, P.M., Vicario, A., González, J.M., Pérez-Coello, M.S. (2007). Determination of anthocyanins in red wine using a newly developed method based on Fourier transform infrared spectroscopy. Food Chemistry 104:1295-1303.
  • Würdig, G. und Woller, R. (Hrsg.) (1989): Chemie des Weines - Handbuch der Lebensmitteltechnologie. Ulmer. Stuttgart. 926 Seiten. ISBN 3-8001-5815-9